: Kampagne gegen Kinderprostitution
Nach der Verschärfung des Strafrechts gerät jetzt die Touristikbranche unter Druck ■ Aus Hannover B. Bremme
„Parttaya – Können Se mir mal die Adresse davon geben?“ – die Hände in die Hüften gestemmt, steht der Mann vor der Kulisse eines thailändischen Puffs und versucht zu provozieren. Die meisten seiner ArbeitskollegInnen ziehen es allerdings vor, so schnell wie möglich an den Terre-des-Hommes-AktivistInnen vorbeizuwieseln und den schützenden Eingang der Hannoveraner TUI-Zentrale zu erreichen. Mit dem häßlichen Thema Sex-Tourismus und Kinderprostitution möchten sie lieber nichts zu tun haben. Von offizieller Seite gibt sich der Reisekonzern TUI dagegen aufgeschlossen. So erklärt Pressesprecher Ortlep, sein Unternehmen sei bereit, Schritte gegen Kinderprostitution zu unternehmen. Die Forderung des Kinderhilfswerkes Terre des Hommes, einen Katalog mit konkreten Maßnahmen zu unterschreiben, lehnt er jedoch ab.
Mit der gleichen Forderung sah sich gestern auch die Zentrale von Meyer-Weltreisen in Düsseldorf konfrontiert, wo anläßlich des Internationalen Tages des Kindes ebenfalls demonstriert wurde. Ziel der Aktion von Terre des Hommes ist, bundesdeutsche Reiseveranstalter zu bewegen, einer Absichtserklärung vom 12. Juli Taten und konkrete Schritte gegen Kinderprostitution folgen zu lassen. Reisefirmen sollen sich schriftlich verpflichten, mit Informationsmaterial über die Folgen von Kinderprostitution aufzuklären und ihr Personal entsprechend schulen. Auch werden sie aufgefordert, nur noch Verträge mit Hotels abzuschließen, die keine Kinderprostitution dulden.
Bereits seit einigen Jahren regt sich international Widerstand gegen Sex-Tourismus und Kinderprostitution. 1990 wurde eine internationale Kampagne ins Leben gerufen, die mittlerweile von 250 Organsiationen aus 20 Ländern getragen wird. Auf diesen Druck hin wurden mittlerweile in mehreren südostasiatischen Ländern Gesetze gegen sexuellen Kindesmißbrauch verabschiedet oder liegen als Entwürfe vor. In Thailand, wo schätzungsweise 200.000 bis 300.000 Kinder als Prostituierte arbeiten, rief die Regierung zum „Feldzug“ gegen Kinderprostitution auf. In Deutschland beteiligen sich mittlerweile 40 Organisationen an der Kampagne gegen Kinderprostitution, darunter die Arbeitsgruppe gegen sexuelle und rassistische Ausbeutung (Agisra), Brot für die Welt, Miseria und Terre des Hommes.
Am 17. Juni verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Verschärfung des Paragraphen 5 des Strafrechts. Seit Anfang September riskieren deutsche Sextouristen, in der Bundesrepubkik vor Gericht zu kommen, wenn sie im Ausland Kinder mißbrauchen. Die Höchsttrafe beträgt – zumindest auf dem Papier – 10 Jahre. Ein ähnliches Gesetz existiert bereits seit 32 Jahren in Schweden. Dort ist allerdings noch kein einziger Mann verurteilt worden.
In der Bundesrepublik gibt es offenbar noch keine konkreten Vorstellungen für die Umsetzung der Strafrechtsverschärfung. Für Christa Dammermann von Terre des Hommes wären Rechtshilfeabkommen ein wichtiger Schritt zur Erleichterung von Gerichtsverfahren, unter anderem, um die Beweisaufnahme eindeutig zu regeln. Bei der jetzigen Rechtslage müßte die Anklage gegen einen deutschen Sextouristen einen juristischen Hürdenpacour von der örtlichen Staatsanwaltschaft über das Innenministerium des Bundeslandes, das Auswärtige Amt, bis hin zur deutschen Botschaft des Reiselandes überwinden.
Damit derartige Prozesse nicht zu Verfahren „stummer Opfer“ werden, verlangt Claudia Burgsmüller, Expertin für Sexualstrafrecht, den Kindern ein Nebenklagerecht einzuräumen. Auch könnten im Zuge der geplanten Reform des Sexualstrafrechtes Organisationen als NebenklägerInnen zugelassen werden. Die Juristin weiß allerdings auch, daß strafrechtliche Verschärfungen in diesem Bereich selten direkte Erfolge nach sich ziehen. Ihre Bedeutung bestehe in erster Linie darin, daß sie Ausdruck gesellschaftlicher Bewußtseinsveränderung seien: „Angestrebt wird ein Gesichtsverlust für die Täter.“
Die „gesellschaftliche Ächtung von sexuellem Kindesmißbrauch“ hält auch Juliane von Krause, Koordinatorin der bundesweiten Kampagne gegen Kinderprostitution, für entscheidend. Insofern sind die Aktionen schon jetzt sehr erfolgreich. Die Tourismusbranche reagiert mittlerweile sehr sensibel auf öffentlichen Druck: nachdem bereits die Reiseveranstalter Tjaereborg und Ikarus auf die Forderung eingegangen waren, gab es vergangenen Freitag, unmittelbar vor Verstreichen des Stichtages, den Terre des Hommes angesetzt hatte, eine weitere positive Überraschung: Vom Touristik-Großunternehmen NUR flatterte eine unterschriebene Selbstverpflichtung ins Haus. Was das Konkurrenzunternehmen TUI angeht, erklärt dies sich nach der gestrigen Aktion in Hannover zumindest bereit, den Abschluß eines Vertrages noch einmal zu „prüfen“.
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