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■ RatgeberVom Sehnen, Leiden und Loslassen

Gibt es ein Leben nach dem Verlust des Liebesobjekts? Frau Dr. Elvira Klöbner antwortet Eberhard Diepgen.

„Sie ist weg. Einfach auf und davon. Die Schlampe! Da hat man sich krummgelegt und ihr jeden Wunsch von den Lippen gelesen, und dann brennt sie mit einem anderen durch. Was wird jetzt aus mir?“ Solch seelische Nöte, verehrte Leserinnen und Leser, wie sie Herr D. aus B. beschreibt, kennen wir alle. Trennung, Abschied. Offene Wunden, heißer Schmerz.

Man muß sich aus einer Beziehungswelt lösen, die einmal die Erfüllung der tiefsten Sehnsüchte versprach. Man glaubte, eine einmalige, unersetzliche Partnerin zu haben. Für sie hat man sich angestrengt, wollte es ihr so schön wie irgendmöglich machen. Mit ihr hat man von einer gemeinsamen Zukunft geträumt, von Erfolg und grenzenloser Entwicklung.

Wie alle Verliebten fühlte man sich voller Optimismus, unerreichbar für die Mahnungen zur Vernunft. Jeder Liebende verlegt alles Gute in die Beziehung, alles Schlechte in die Umgebung. Man glaubte, alle Hindernisse überwinden zu können. Die Liebe kann alles ertragen!

Und jetzt ist alles kaputt. Was bleibt ist die furchtbare Enttäuschung. Auch wenn man bei sich keine Schuld sieht, ist man dennoch von Zweifeln erfüllt: Hat man selbst versagt? Ein Liebesobjekt ist einem genommen, ein neues noch nicht in Sicht. Wie damit umgehen?

Wir wissen, daß frisch Verlassene in höchstem Grade gefährdet sind. Sie neigen zu Alkoholismus, Suizid und Unfällen. Das Gefühl, verschmäht worden zu sein, kann gesundheitsschädigend wirken wie Rauchen, schlechte Ernährung oder mangelnde Bewegung. Die psycho-sozialen Folgen sind unabsehbar.

Deshalb ist es so wichtig, daß wir eines begreifen: Leiden ist ein wichtiger Bestandteil für jeden Reifungsprozeß. Die Erfahrung, loslassen zu können, kann einem neuen Halt geben. Wer in unbewältigtem Schmerz verharrt, neigt zu Haß, Zerstörung und will anderen die Schuld geben.

Eine fruchtbare Verarbeitung kann in kontemplativer Versenkung liegen. Vielleicht sollte ich einmal grundsätzlich über mich nachdenken. Warum ist meine Hoffnung zerbrochen? Bin ich obskuren Reizen erlegen und habe mich in einer sinnlosen Liebe verausgabt? Könnte ich meine Zukunft nicht ganz anders gestalten?

Eine große Gefahr liegt darin, sofort nach einem Ersatz, einem neuen Liebesobjekt zu suchen. Trauerarbeit braucht Zeit! Doch noch gefährlicher wäre es zu hoffen, daß sich mir die alte Geliebte nach einer Besinnungszeit erneut zuwendet. Denn Sehnen, Leiden und Loslassen – muß es nicht auch manchmal zu der zutiefst schmerzlichen Erkenntnis führen: Ich war einfach der Falsche! Der Rat wurde eingeholt von Bascha Mika

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