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■ Press-SchlagWie Poolbillard

München (taz) – Poolbillardspieler kennen das Phänomen: Plötzlich rollen die Kugeln wie vom Magnet gezogen ins Loch. Einen solchen „Lauf“ hat derzeit der Neuling in der 2. Bundesliga, der TSV 1860 München. Die schickten nicht nur den bisher ungeschlagenen Tabellenführer VfL Bochum mit 4:1 nach Hause. Die meisten der als 29.000 Zuschauer im ausverkauften Stadion an der Grünwalder Straße waren sich einig: Hätte das Spiel nur zehn Minuten länger gedauert, hätten die „Löwen“ sogar den Rückstand von neun Toren im Torverhältnis egalisiert und die Tabellenführung übernommen.

Während 20.000 Fans sich noch 20 Minuten nach Spielende glückstrunken zum Rhythmus der neuen 60er- Hymne „Wir sind stark wie nie“ wiegten, gelang Löwen- Trainer Werner Lorant das mimische Kunststück, die Mundwinkel unter dem Schnauzbart noch ein Stückchen mehr als die seines Kollegen Jürgen Gelsdorf nach unten zu ziehen. Und den ungläubigen Medienvertretern in der Sardinenbüchse des Presseraums mit Grabesstimme seine Strategie „im Kampf gegen den Abstieg“ zu erläutern: „Erst wenn wir 40 Punkte auf dem Konto haben, können wir uns neue Ziele setzen.“ Der schwerste Kampf des Löwen-Dompteurs ist der gegen die schier grenzenlose Euphorie auf Giesings Höhen.

VfL-Trainer Gelsdorf dagegen analysierte trocken, daß sich sein technisch überlegenes Ensemble „gleich zu Anfang den Schneid abkaufen ließ“. In der Tat stürzten sich vom Anpfiff an vor allem „Löwen-Boris“ Peter Zeiler und der beurlaubte Finanzbeamte Thomas Miller mit Feuereifer in die Zweikämpfe mit den VfL-Stars Dariusz Wosz und Uwe Wegmann. Die Bochumer hielten knapp eine halbe Stunde mit spielerischen Mitteln dagegen und hätten sogar durch den freistehenden Holger Aden in Führung gehen müssen. Drei Minuten später lag jedoch plötzlich der Ball nach einem abgefälschten 20-Meter-Schuß von Arnim Störzenhofecker hinter Andreas Wessels im Netz.

Das Kampfspiel wurde noch ruppiger: Der souveräne Schiedsrichter Heynemann aus Magdeburg verteilte nicht nur serienweise gelbe Karten, sondern trennte die Kampfhähne schon mal mit einem harten Stoß vor die Spielerbrust. Wegmann erhielt für eine Grätsche an der gegnerischen Auslinie zum fünftenmal Gelb und damit eine Denkpause im nächsten Heimspiel gegen Jena.

Auch die zweite Hälfte begann gut für die Bochumer, doch den Magneten im gegnerischen Tor nutzten die 60er Winkler und Heinemann. Und spätestens in dem Moment, in dem der Liebling der Massen, der Wiener Peter Pacult, die Pille mit aufreizender Lässigkeit zum 4:1 über die Linie schob, wurde an der Isar die Erinnerung an die großen Tage des TSV 1860 München wieder lebendig. Walter Metzger

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