Für eine „Autonome Region Westbosnien“

■ Wachsende Zerwürfnisse vor der Sitzung des bosnischen Parlaments

Sarajevo/Berlin (AFP/taz) – Morgen will das bosnische Parlament in Sarajevo, in dem immer noch Muslime, Kroaten und Serben sitzen, über den „Friedensplan“ für Bosnien debattieren – doch inzwischen verschärfen sich auch in Sarajevo und Nordbosnien die Spannungen zwischen den kroatischen und bosnischen Truppen. Der örtliche Kommandant des kroatischen Verteidigungsrates HVO vertrat sogar die Ansicht, daß die Muslime die HVO aus der Stadt jagen wollen. Bei der nordbosnischen Stadt Zepče griff die Regierungsarmee – nach kroatischen Angaben – am Samstag kroatische Stellungen an.

Die bosnische Sicht der Dinge ist jedoch eine andere: Demnach hatte Präsident Izetbegović nach einem Gespräch mit dem HVO- Kommandeur eine Anordnung, nach der sich die Kroaten in ihre Kasernen zurückzuziehen hätten, zurückgenommen. Entschieden zurück wies der Präsident auch die Vorwürfe, daß seine Truppen einen Angriff auf die HVO in Sarajevo planen würden. Ein Offizier der bosnischen Regierungstruppen versicherte, seine Verbände und die HVO seien entschlossen, die Stadt gemeinsam gegen die Serben zu verteidigen. Die von Muslimen dominierte bosnische Armee in Sarajevo ist etwa zehnmal so stark wie die HVO. Nach Regierungsangaben sind von den rund 260.000 Bewohnern der Hauptstadt rund 30.000 Kroaten.

Positiver als die Kroaten sieht auch der türkische Außenminister Hikmet Cetin das muslimisch-kroatische Verhältnis. Nach seiner Rückkehr aus Zagreb, wo er mit seinen Kollegen aus Bosnien und Kroatien zusammengekommen war, teilte er mit, daß der Konflikt über die Gebietsaufteilung Bosniens weitgehend beigelegt sei.

Tatsächlich gibt es im kroatisch- muslimischen Verhältnis auch Zeichen der Entspannung. Nach der Freilassung von 500 muslimischen Gefangenen aus dem Lager Dretelj gestatteten die Muslime nun die Evakuierung von 60 kranken und verwundeten Kroaten aus einem Dorf in Mittelbosnien. Während den Verhandlungen über einen Waffenstillstand für Mostar wurde in der herzegowinischen Hauptstadt nicht gekämpft.

Andererseits erhielt die UNO am Wochenende Nachricht von einem kroatischen Arbeitslager beim zentralbosnischen Rotilj. Dort wären auch Frauen und Kinder inhaftiert, die Männer würden zum Ausheben von Schützengräben gezwungen. Dem Roten Kreuz werden der Zugang zu dem „Konzentrationslager“ verweigert. Immer deutlicher aber auch unterschiedliche Interessen bei den Muslimen: So kündigte Fikret Abdić, als Chef der nordwestbosnischen Region Bihać einer der schärfsten Rivalen des bosnischen Präsidenten, an, eine „Autonome Region Wesbosnien“ auszurufen. Gleichzeitig warf er Izetbegović vor, die rund 30.000 Einwohner zählende und von den übrigen muslimisch kontrollierten Gebieten getrennte Region „unterwerfen“ und „aushungern“ zu wollen. Obwohl die bosnische Regierung die seit Anfang September öffentlich diskutierte Forderung Abdićs scharf zurückgewiesen hatte, sollen – nach kroatischen Angaben – rund 80.000 Einwohner der Region eine entsprechende Petition unterzeichnet haben. her