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Der georgische „Duce“ will auf den Thron

Eduard Schewardnadses Vorgänger, Swiad Gamsachurdia, prahlte am Wochenende, er sei der einzige, der Georgien vor dem Untergang retten könne. Bis zu seiner Re-Inthronisierung in Tbilisi wolle er dem georgischen Präsidenten bei der Bekämpfung der abchasischen Separatisten helfen.

Leise Töne sind die Sache Gamsachurdias nicht: „Ich bin gekommen, um Georgien zu retten, um der Bevölkerung den Frieden zurückzubringen, um den Bürgerkrieg zu beenden und wieder eine legitime Regierung zu bilden.“ Diese Ziele diktierte der frühere georgische Staatschef nicht nur ausländischen Journalisten ins Mikrophon. Auch die mehr als 10.000 Georgier, die im westgeorgischen Zugdidi die Rückkehr des 1992 ins tschetschenische Exil Vertriebenen feierten, wurden auf die baldige Machtübernahme eingeschworen. Schon „in den nächsten Tagen“ will Swiad Gamsachurdia den georgischen Staatschef Schewardnadse ablösen. Die Legitimität des nahen Machtwechsels sieht Gamsachurdia in der Erfolglosigkeit begründet, mit der Schewardnadse in der abtrünnigen Republik Abchasien agiert. Und so erklärte er sich dann auch bereit, bis zu seiner Inthronisierung in dieser Frage mit dem georgischen Präsidenten zusammenzuarbeiten. Von Zugdidi aus sollten seine Anhänger in die fast 200 Kilomter entfernte abchasische Hauptstadt Suchumi marschieren. Die Macht werde er friedlich und erst dann übernehmen, wenn Schewardnadse das belagerte Suchumi verlassen habe.

Über den genauen Aufenthaltsort des georgischen Staatschefs herrschte am Wochenende indes Unklarheit. Während die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete, Schewardnadse habe Suchumi an Bord eines Hubschraubers verlassen, teilte ein georgischer Pressesprecher mit, daß sich der Präsident weiterhin in der Gebietshauptstadt aufhalte. Allerdings habe man wiederholt das Quartier wechseln müssen, um Angriffen auszuweichen.

Tatsächlich scheint Schewardnadse davon überzeugt, daß seine Anwesenheit in Suchumi die „Kampfmoral“ der Regierungstruppen stärkt. Da jedoch abchasische Soldaten inzwischen zumindest die Randgebiete der Stadt kontrollieren, begann am Samstag die Evakuierung der Zivilbevölkerung. Nachdem der Flughafen in der vergangenen Woche geschlossen wurde, nahmen mehrere Schiffe der russisch-ukrainischen Schwarzmeerflotte 4.000 Alte, Frauen und Kinder sowie 200 Verletzte an Bord. Auch versuchten viele, in altersschwachen Autos oder zu Fuß Abchasien zu verlassen, um sich bei Verwandten in Georgien in Sicherheit zu bringen.

Ob die russische Hilfsaktion jedoch ausreicht, eine Panik in der 128.000 Einwohner zählenden Gebietshauptstadt zu verhindern, ist fraglich. Bereits in der vergangenen Woche versuchte die nach dem vor acht Wochen geschlossenen Waffenstillstand gerade wieder in die Stadt zurückgekehrte Bevölkerung, in jenen Flugzeugen dem Bürgerkrieg zu entkommen, die neue Truppen nach Suchumi brachten. Allein am Freitag fielen 600 Granaten auf die Stadt am Schwarzen Meer, ganze Stadtviertel lagen wie ausgestorben da.

Daß Moskau die Stromversorgung kappte und auch die Wasserversorgung nicht mehr funktioniert, bekommt vor allem die Bevölkerung zu spüren. Nach Angaben der georgischen Regierung seien bei den letzten abchasischen Angriffen aber auch Soldaten in Panik geraten. Wie schon vor einer Woche richtete Schewardnadse daher erneut einen Appell an die „Freunde Georgiens“: „Wir rufen die Staatengemeinschaft auf, diese barbarischen Taten zu verurteilen.“

Ein Ende der Kämpfe in Abchasien ist nicht abzusehen. In Suchumi können beide Seiten immer wieder Erfolge vermelden. So soll es am Samstag georgischen Truppen gelungen sein, den abchasischen Belagerungsring zu durchbrechen. Einen Belagerungsring durchbrechen konnten die Georgier auch in der Hafenstadt Otschmatschuria; die Regierungstruppen versuchen eine Verbindung zwischen der Stadt und Suchumi herzustellen. Gescheitert sind vorläufig aber auch die Vermittlungsversuche Moskaus.

Zumindest verbal wurde am Wochenende dagegen die UNO aktiv. Generalsekretär Butros Ghali forderte die abchasischen Separatisten und die georgische Armee auf, den in der russischen Stadt Soči unter Vermittlung Rußlands geschlossenen Waffenstillstand „sofort“ wieder herzustellen. Außerdem sollen die von einem UN-Sonderbeauftragten geleiteten Friedensverhandlungen am Donnerstag in Genf wiederaufgenommen werden.

Unterdessen hat die Regierung in Washington ihre Unterstützung für den georgischen Präsidenten bekräftigt. Der Sprecher des Außenministeriums, McCurry, verurteilte die Angriffe der Abchasen und forderte sie auf, ihre Truppen wieder in die Stellungen zurückzuziehen, die sie vor dem Waffenstillstand besetzt gehalten hatten. her

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