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Wahlspots oder schwarze Löcher?

■ Uneinigkeit beim Verzicht auf TV-Wahlspots / Grüne wollen Zugriff der Parteien beenden

Jahrelang haben die Parteien keine Gelegenheit ausgelassen, ihr Recht auf kostenloses Sendeplätzchen im Fernsehen und im Radio gesetzlich oder tatsächlich festzuschreiben. Inzwischen berufen sich aber auch rechtsradikale Parteien mit gerichtlicher Unterstützung auf diese Erfolge, Mitarbeiter der Sendeanstalten wehren sich mit diesem Argument gegen die Propaganda-Veranstaltungen. In Bremen wird hinter den Kulissen darüber verhandelt, wie es im Wahljahren 1994/1995 sein soll.

Im Vorfeld der Hamburger Bürgerschaftswahl hatte sich eine Mitarbeiterin des NDR geweigert, an der Ausstrahlung eines DVU-Spots mitzuwirken. Nun fordern Gewerkschafter die Veränderung der Rundfunk-Staatsverträge, die für fast alle Anstalten den Zugriff der Parteien auf die elektronischen Medien sichern. Einige Politiker wollen die Kehrtwende mitmachen, aber längst nicht alle.

Während in Niedersachsen SPD, CDU, Grüne und FDP in seltener Einmütigkeit für einen Verzicht auf Parteienwerbung votiert haben, ist die politische Landschaft in Bremen gespalten. Im Oktober soll sich die Bürgerschaft mit dem Thema befassen.

Bei der Grünen-Fraktion gab es keine lange Debatte: Die Grünen wollen den Senat dazu bringen, daß der sich für die Veränderung aller Staatsverträge einsetzt. Dabei ist Bremen eine Insel der Seeligen. Denn hier haben, neben Berlin einzigartig in Deutschland, Direktorium und Rundfunkrat des Senders die freie Entscheidung. Alle anderen Sender sind per Vertrag verpflichtet, die Parteien werben zu lassen.

Diesen Zugriff auf die Medien haben sich die Parteien erst in den 60er und 70er Jahren gesichert. „Genau um dieses Prinzip geht es“, sagt der Grüne Medienpolitiker Hermann Kuhn. „Kein Mensch hat ein Recht auf Darstellung in der Presse. Warum sollten Parteien bei den Sendern dieses Privileg haben?“

Das genau wird in so manchanderer Partei ganz anders gesehen. Noch haben weder die FDP noch die SPD den grünen Vorstoß abschließend diskutiert, aber schon jetzt zeichnen sich Differenzen innerhalb der Parteien ab. „Mein Fraktionsvorsitzender ist dafür“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Karl-Hermann Niestädt über seinen Chef Claus Dittbrenner. „Ich finde aber, das sollte beibehalten werden. Daß das ein Mittel gegen Rechts wäre, das halte ich für eine trügerische Vorstellung.“ Schließlich seien in Bremen beim letzten Bürgerschaftswahlkampf keine Spots gesendet worden.

Aber bei der Bremer SPD sei es in der Frage auch nicht anders als bei den Sozialdemokraten in den anderen Ländern: „höchst unterschiedlich.“ Anfang Oktober will sich der SPD-Fraktionsvorstand mit dem grünen Vorstoß befassen, ehe der Koalitionsausschuß berät.

Unentschieden ist auch die FDP. Der Geschäftsführer der Fraktion ist eher dafür, das alte Recht zu belassen. Wolfram Neubrander: „Gerade in Flächenländern haben kleine Parteien Schwierigkeiten, eine flächendeckende Organisation aufzubauen. Da ist es hilfreich, mit den wichtigsten Medien in die letzten Winkel zu kommen.“ Aber letztlich sei die FDP noch nicht zu einer abschließenden Meinung gekommen, denn andererseits stünde auch: „Zu verhindern, daß die Rechten in die Medien kommen, dagegen kann niemand etwas haben.“

Die CDU meint, „ein Verbot ist nicht der richtige Weg, die Auseinandersetzung mit den Rechten zu führen“, so ihr Sprecher Thomas Diehl. Die Werbespots seien ein wesentliches Hilfsmittel für die Wahlentscheidung, findet er. „Nur weil einige schwarzfahren, sperren wir nicht alle Busse.“

Daß die DVU in eben diesen Bus will, das verwundert nicht: „Das kann ich mir vorstellen, daß die etablierten Parteien gut auf Werbespots verzichten können“, sagte Hans-Otto Weidenbach von der Bürgerschafts-DVU. „Wir werden nicht auf die Wahlspots verzichten können.“

Der „Kampf gegen Rechts“ ist aber für die Grünen eine schiefe Ebene, auf die sie nicht kommen wollen. Hermann Kuhn: „Da fallen wir immer rein. Uns geht's um das angeblich selbstverständliche Privileg, das sich die Parteien nehmen. Deshalb muß die Entscheidung schnell fallen, sonst kommen wir wieder in den nächsten Wahlkampf.“ So gesehen drängt die Zeit, schon zur Europa- und zur Bundestagswahl muß der Rundfunkrat von Radio Bremen entscheiden.

Es könnte sein, daß die Bremer Zuschauer statt der Parteienspots demnächst einen leeren Bildschirm zu sehen bekommen: schwarze Löcher. Intendant Karl- Heinz Klostermeier argumentierte bei einer Veranstaltung der IG-Medien mit dem kleinen Budget eines kleinen Senders: Da sei es nicht so einfach, diese zweieinhalb Minuten Sendezeit des ersten Programms zu füllen, wenn außerhalb Bremen die Parteien werben. Schließlich ginge es um Hauptsendezeit nach acht, sagte Klostermeier zur taz, die könne man noch nicht einmal als Werbezeit verkaufen. Aber inhaltlich äußern, das wolle er sich nicht. Zuerst müsse sich der Rundfunkrat mit der Sache befassen.

Aber einen Einwand von Wolfram Neubrander von der FDP konnte Klostermeier schon entkräften. Der hatte zu Bedenken gegeben, die Parteien könnten sich ja schließlich auch Werbezeit kaufen. Das können sie nicht. Klostermeier: „Werbezeit verkaufen wir nur für wirtschaftliche Zwecke.“ Jochen Grabler

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