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Gewoba muß „Matsch“ bauen

■ Die Jahre der Krise der Neuen Heimat und der Neubeginn als Bremer Gewoba

Das dicke Buch „Chronik der Gewoba“ beschreibt die Jahre der Krise der Neuen Heimat (1986) mit der zu erwartenden Zurückhaltung als Firmengeschichte. Eine Debatte über die architektonischen Überlegungen seit Neubeginn der Bautätigkeit 1990/1991 wird nicht mehr dokumentiert. Und da ein von der Gewoba engagierter Autor um so vorsichtiger sein muß, je näher er den aktuell handelnden Personen kommt, soll hier das aktuelle, ungeschriebene Kapitel aus der Geschichte der Gewoba berichtet werden: Bei der Präsentation des Buches gelang es, zwischen dem Geschäftsführer Eberhard Kulenkampff und der Aufsichtsratsvorsitzenden Bausenatorin Lemke-Schulte einen kleinen Streit zu provozieren.

„Matsch“ sei das, was derzeit städtebaulich geplant und gebaut werde, etwa in Arsten-Südwest und Borgfeld, meinte der Gewoba-Geschäftsführer. Seit aber das Planungsrecht (nicht zuletzt von den Nazis) fortentwickelt wurde, machen die Behörde mit dem Instrumentarium „Bebauungsplan“ weitgehende Vorgaben, Baufirmen können nicht mehr wie in den Anfängen der Gewoba selbst Stadtarchitektur gestalten. Also baut die Gewoba mit zusammengebissenen Zähnen mit am „Matsch“, den das Ressort plant... ?

Die Bausenatorin bestreitet das vehement, daß die kleinen, aneinandergereihten Ein- und Mehrfamilienhäuschen „Matsch“ seien. Aber Kulenkampff legt nach: Das Hollerland sei mit heftiger Polemik gegen die Neue-Heimat-Pläne unter Naturschutz gestellt worden, erinnert er — die frühere Umweltsenatorin Lemke-Schulte hat dies immer wieder als ihren Erfolg gefeiert. Aber die Umweltbilanz dessen, was die Bausenatorin Lemke-Schulte heute verbauen läßt, ist genauso schlecht, sagt Kulenkampff. Die letzten großflächigen Grüngebiete werden zugebaut, die neue Infrastruktur verschlingt immense Kosten und unnötig Flächen. Kann so noch zehn oder zwanzig Jahre weeitergebaut werden, bis der Rand des Autobahnringes überall erreicht ist?

Alternative der Gewoba: Innenverdichtung der Städte. Die Begründung dafür ist nicht nur die Umweltbilanz, sondern auch die Tatsache, daß weniger ein Bevölkerungswachstum heute stattfinden als vielmehr ein „Quadratmeterwachstum“ dessen, worüber die vielen kleinen Haushalte verfügen wollen. Aber Innenverdichtung kommt in Bremen nur schleppend voran. Insbesondere dort, wo die Gewoba ihre Flächen besitzt (in der Vahr), läßt sich die Bremer Baubehörde von Einwänden der jetzigen Bewohner bremsen. Denen ist es offenbar — Kulenkampff formulierte so sarkastisch — lieber, daß die grüne Wiese überbaut wird als der Parkplatz ihrer Autos. Kulenkampff über die Bautätigkeit in der Neuen Vahr: „Die meisten Baugenehmigungen bekommen wir, wenn wir Gras wegmachen, um zu bauen.“ Die projektierten „Stelzenhäuser“ über den Parkplätzen sind nicht einmal eingerechnet in das Wohnungsbauprogramm des Senats.

Bausenatorin Lemke-Schulte verweist auf Beiratsdiskussionen, die Zeit kosten. Wann die „Gartenstadt“ zur Stadt verdichtet werden kann? Da mag sie sich nicht auf einen Zeitpunkt festlegen.

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