piwik no script img

Vorschlag

■ „Die Unnormalen“ – ein Film von Jacek Blawut

Alles scheint irgendwie anders bei ihnen und dennoch auf eigene Art völlig in Ordnung: „Die Unnormalen“, die Jacek Blawut in seinem ungewöhnlichen Debütfilm porträtiert, sind so absonderlich nicht – trotz (oder wegen) ihrer geistigen Behinderung. Was sie, die mongoloiden Kinder einer sogenannten „Down Group“, allerdings den „Normalen“ voraus haben, ist eine staunenswerte Ursprünglichkeit und Freimütigkeit, die sie wiederum gänzlich „gesellschaftsunfähig“ macht. Eine Erinnerung an all das, was menschenmöglich wäre, wären die Zivilisationszwänge nicht, wie sie eben sind.

Grund genug, die Kinder aus schlechtem Gewissen in vorsorglich abgeschottete Ghettos ganz am Rande der normalen Gesellschaft abzuschieben. In Jacek Blawuts Film ist es ein weltabgeschiedenes Gut in der polnischen Provinz, inmitten eines weitläufigen Parks, bewacht von dickem Gemäuer. Hier taucht eines Tages ein so ahnungsloser wie treuherziger Musiktherapeut aus dem fernen Warschau auf, der mit dem Akkordeon unter dem Arm die rappeligen Heiminsassen ausgerechnet mit Mozarts „Türkischem Marsch“ traktiert und mühsam zu einem ordentlichen Orchester formieren will. Ein wahrlich verrücktes Unterfangen, das am Ende allein den ratlosen Pädagogen ausrasten läßt – zum beträchtlichen Vergnügen der Zuschauer, die in den unbeholfenen Versuchen ihre eigenen Schwierigkeiten im Verständnis der „Unnormalen“ wiedererkennen.

So unverkrampft diese Eingangssequenz, die häufig analytisch überfremdete Lektion „Behinderung“ visualisiert, so locker und frei von peinlichem Mitleid hält der gesamte Film bis zum glaubwürdigen Happy End durch. Dazwischen liegen weitgehend improvisierte, semi-dokumentarische Episoden und detailreiche Bewobachtungen eines Alltags, der gerade in seinem hintergründigen Humor berührt. Besonders da, wo die Abweichung von einer absurden Norm geradezu vorbildlichen Eigen-Sinn zeigt. Wie beispielsweise beim sportlichen Wettstreit, wo einer der Konkurrenten kurzerhand aus der vorgeschriebenen Bahn ausbricht, um einem anderen wie selbstverständlich weiterzuhelfen. Eine von vielen kleinen Gesten in diesem mit bescheidenem Budget realisierten polnischen „Rain Man“ – ganz ohne große Worte. Roland Rust

„Die Unnormalen“ („Nienormalni“) von Jacek Blawut, Polen 1990, 79 min (OmU), tägl. im Filmtheater am Steinplatz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen