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Die Stadt der ehemals tausend Verlage

■ In der Weimarer Republik war Berlin größte Verlags- und Zeitungsstadt Deutschlands

„Ein kleiner dicker Berliner wollte mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten“, schrieb Erich Kästner und meinte Kurt Tucholsky damit. Der schrieb, wie Kästner, seine scharfen Kritiken, Satiren und Geschichten in Berlin. Geschrieben wurde viel hier, wenn auch nicht immer gegen die Katastrophe. Soviel wie hier wurde in keiner anderen deutschen Stadt in den zwanziger und beginnenden dreißiger Jahren geschrieben und verlegt.

Doch der Anfang war ausgesprochen mühsam: Bücher wurden in Berlin weit später gedruckt und verlegt als in anderen Städten. 1576 sorgte Buchdrucker und Verleger Leonhard Thurneysser erstmals dafür, daß auf der Frankfurter Buchmesse drei Drucke aus Berlin angeboten wurden. Danach passierte vorerst nicht viel. Erst in der Zeit der Aufklärung erlebte der Buchverlag in Berlin einen kommerziellen Aufschwung: Literarische Verlage wie Voß und die Nicolaische Verlagsbuchhandlung wurden gegründet, Haude & Spener und Georg Reimer verlegten wissenschaftliche Werke.

Nach der Reichsgründung 1871 boomte Berlin, die Einwohnerzahl explodierte gleichsam über Nacht. Künstler, Wissenschaftler und Intellektuelle zog es an die Spree, in die neue Hauptstadt. Das Leben pulsierte, die kulturelle Lebendigkeit fand ihren Höhepunkt in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und geriet schnell zum Mythos. Berlin wurde auch für Verlage zum Magnet und größte Zeitungsstadt Deutschlands. Rund 150 Tageszeitungen und Wochenschriften waren auf dem Markt, von Illustrierten und anderen Druckerzeugnissen abgesehen. Beherrscht wurde der Zeitungsmarkt von drei großen Konzernen: Mosse, Scherl und Ullstein waren im Zeitungsviertel in der Kochstraße angesiedelt.

Auch die Anzahl der Buchverlage nahm ständig zu: 1872 wurden an der Spree 1.829 Bücher verlegt, erstmals mehr als in der Buchstadt Leipzig. Die meisten davon waren wissenschaftliche Werke. Aber auch literarisches Neuland wurde entdeckt: Verleger wie Ernst Rowohlt oder Samuel Fischer nahmen sich zeitgenössischer Literaten an. Fischer brachte nach der Gründung seines Verlages 1886 Tolstoi, Zola, Dostojewski und Ibsen heraus. Zwölf Jahre später publizierte er den ersten Novellenband von Thomas Mann. Die „Buddenbrooks“ wollte er um die Hälfte kürzen. Als ihm aber ein Konkurrent Mann abwerben wollte, gab Fischer – mit großem Erfolg – 1929 das Buch als ungekürzte Sonderausgabe in Ganzleinen für 2,85 Mark heraus. Fischer gewann Döblin, Hauptmann und Hesse als Autoren, aber auch ausländische Schreiber wie Shaw, Wilde und Virginia Woolf. „Im Westen nichts Neues“ hingegen lehnte er ab. Erich Maria Remarque wanderte mit seinem Roman von Verlag zu Verlag, bis schließlich Ullstein ihn nahm und einen Riesenerfolg landete.

Der Zeitungsverleger Leopold kam erst 1904 zum Buch. Sechs Jahre später gab er für eine Mark die ersten Ullsteinbücher heraus, die, billig und leicht zugänglich, ein Massenpublikum erreichten. Rowohlt versuchte 1919 in Berlin sein Glück. Bei ihm wurden Hauptmann, Kafka, Musil, Tucholsky und Ringelnatz verlegt. Während der zwanziger Jahre kamen russische Verlage nach Berlin, jüdische wurden gegründet. Auch kleinere Verlage wie Malik hatten Erfolg. Ende der 20er hatten 929 Verlage ihren Sitz in der Stadt, die 7.545 Werke verlegten, ein Viertel aller Veröffentlichungen in Deutschland.

Nach 1933 gerieten die Verlage unter Druck. Die Nazis genehmigten immer häufiger Verlagsprogramme nicht, verboten einzelne Schriften oder Gesamtwerke. Nach dem Reichstagsbrand flohen Heinrich Mann und Alfred Döblin, andere Literaten und Verleger waren schon weg oder folgten. Der Malik-Verlag wurde geschlossen, das jüdische Verlagshaus Ullstein „arisiert“ und zum Schleuderpreis von 6,5 Millionen Mark verkauft. Andere Verlage wurden enteignet, Verleger und Autoren in Konzentrationslager verschleppt. Nach dem Kriegsende war von der Verlagsstadt Berlin nichts mehr übrig. Sabine am Orde

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