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Ein Teach-in zum Tag der deutschen Einheit

■ Debattenmarathon am 3. Oktober im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt

Berlin: zumindest schon Hauptstadt großer Worte. So könnte man böswillig meinen, wirft man einen Blick auf Titel und TeilnehmerInnenliste einer Veranstaltung, die am Sonntag stattfinden wird: beeindruckend. Unter dem Titel „Drei Jahre Deutschland – Befindlichkeiten, Realitäten, Visionen“ sollen in drei verschiedenen Werkstätten samt Untergruppen von morgens 10.30 Uhr bis abends 17 Uhr VertreterInnen aus Wirtschaft, Medien, Politik und BürgerInnen diskutieren. Der Begrüßung durch die Veranstalter – eine jüngst gegründete „Werkstatt e.V.“ zusammen mit dem Schauspielhaus Berlin – folgt eine erste „aufwärmende“ Gesprächsrunde u.a. mit Florian Langenscheidt (Verleger), Horst Teltschik (BMW-Vorstand), Wolfgang Thierse (MdB-SPD), Wolfgang Ullmann (MdB Bündnis90/Die Grünen). Hier wie bei allen späteren Foren erhoffen sich die Veranstalter, so die Publizistin Marie-Luise Weinberger stellvertretend, rege Beteiligung des Publikums: „Alle Veranstaltungen haben Workshop-Charakter.“

Ab 13 Uhr dann finden parallel zueinander drei „Werkstätten“ statt, die sich wiederum in drei Einzelforen unterteilen: Werkstatt „Nation“, „Wirtschaftsstandort“ wie auch „Leistungsfähigkeit der Politik“. Die Prominenz, die sich in allen Foren einfinden will, wird – auch dies spricht für die Besonderheit des Zusammentreffens – kein Honorar, ja, nicht einmal Reisekostenerstattung erhalten. In der „Werkstatt Nation“, die sich auch mit den Fragen multikulturelle Gesellschaft, Maastricht und Verfassungspatriotismus befaßt, tummeln sich Namen wie: Peter Brandt, Alfred Mechtersheimer, Lutz Rathenow, Friedrich Dickmann, Wolfgang Templin, Steffen Reiche, Marlies Menge oder Lea Rosh. Nebenan, in der Werkstatt „Wirtschaftsstandort“, geht es um Themen wie „Made in Germany – Symbol vergangenen Glanzes“ und „Hat der Wohlstand uns erfolglos gemacht?“ Der eventuell allzu industriefreundlichen Besetzung dürfte der eine oder andere Diskutant durchaus Kritisches entgegenzusetzen haben.

Im dritten Workshop „Leistungsfähigkeit der Politik“ dann treffen die Praktiker aufeinander: Kommunalpolitiker wie Udo Knapp (Wolgast) oder der Pforzheimer Bürgermeister Becker räsonieren über „überforderter Staat – verwöhnte Bürger“ oder die „Notwendigkeit einer neuen politischen Elite“. Laut Veranstaltern will man selbst die Zusammenstellung der Foren nicht im voraus planen, sondern auch hier den Teilnehmern und dem Publikum freie Hand lassen. Wo gab es jüngst so viel Experimentier- und Risikofreudigkeit in dieser Stadt? Den Abschluß der ersten öffentlichen Großveranstaltung dieser Art im vereinigten Berlin bilden die Festrede Richard Schröders und ein anschließendes Benefizkonzert des Berliner Sinfonie-Orchesters.

Für Marie-Luise Weinberger ist am entscheidendsten, ob und wie man Berlin „Lebenselexier“ einhauchen kann. „Ich bin gespannt, ob es möglich ist, Sonntag morgens ganz normale Bürger dazu zu bewegen, hierherzukommen und zu sagen: ,So, ich möchte diskutieren‘“. Ein Grausen für sie, die Vorstellung, es sei dritter Oktober, und keiner geht hin ... taz

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