Folter ersten Grades

■ Eine Katastrophe: „Der Tod und das Mädchen“ in Bremerhaven

Man nehme: einen Regisseur, der am Ort bewiesen hat, daß er inszenieren kann (z.B. Taboris „Mein Kampf“), eine Darstellerin, die für ihr kluges, leises Spiel seit Jahren geschätzt wird; ein Stück, das in der letzten Spielzeit auf deutschen Stadttheaterbühenen ein Renner war: Gut gebaut, politisch brisant. Und das Ergebnis in Bremerhavens Kleinem Haus ist eine Katastrophe: langweilig, peinlich, schlimm.

Ariel Dorfman konfrontiert in seinem Stück „Der Tod und das Mädchen“ das Opfer einer Militärdiktatur, eine im Kerker gefolterte Frau, 15 Jahre danach mit ihrem vermeintlichen Peiniger. Paulina (Iris Heuchert) glaubt, ihn an der Stimme und am Geruch seiner Haut zu erkennen. Er (Wilhelm Manske) ist gerade zu Gast im Sommerhaus ihres Mannes (Stephan Larne), dem er bei einer Reifenpanne behilflich war. Paulina fesselt den Gast und zwingt ihn mit der Pistole im Anschlag, ein Geständnis aufzusetzen.

Ariel Dorfman führt ein Spiel vor, in dem die Beteiligten ständig umeinander kreisen, einander austricksen wollen. Wessen Aussagen richtig sind, läßt er offen. Im latent tödlichen Tanz zu dritt offenbart der chilenische Autor die dünnen Grenzen, wo Wahrheit in Lüge umschlägt und Macht in Ohnmacht.

Woran aber scheiterte Hans- Werner Wenskes Inszenierung? Ist das Stück ein wenig zu perfekt gebaut? Sind die Figuren zu holzschnittartig angelegt? Warum mußte alles so lustlos daneben gespielt und gesprochen werden? Es war, als wären die Schauspieler gar nicht bei der Sache gewesen; die großen Gefühle wurden unglaubwürdig, und das Publikum litt schreckliche Qualen.

Ist hier bloß auf die Schnelle ein Erfolgsstück verwurstet worden? Es bleibt ein Rätsel. Vielleicht sollten die Beteiligten es auflösen und erzählen, was mit und zwischen ihnen geschehen ist. Und dann Schluß, keine weitere Vorstellung mehr. Oder noch besser: Einige Wochen in Klausur gehen und danach einen neuen Versuch wagen. Sie können es besser. Hans Happel