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■ Ortsbesichtigung: Die Galerie „Stil und Bruch“ in der Admiralstraße

Es ist gerade mal zehn Jahre her, daß Kreuzberger Stadtplaner damit begannen, noch bedeutende Altbauten abzureißen, um neue unbedeutende Wohnsilos hochzuziehen. Am Zeichentisch durften freizügig vermeintlich notwendige Straßenschneisen durch Wohngebiete gerissen werden. Ein besonderes Liebkind der Planung war die Erweiterung der Stadtautobahn durch die sogenannte Ost- Tangente, der in der Gegend um das Kottbusser Tor ganze Häuserzeilen zum Opfer fielen.

In der Admiralstraße, die die mittlerweile idyllische Promenade am Fraenkel-Ufer mit dem Kottbusser Tor verbindet, hatte das Bezirksamt bereits leerstehende Häuser aufgekauft, um sie in absehbarer Zeit ihrer letzten Bestimmung zuzuführen. Unversehens aber brach die Zeit der Hausbesetzer an, und die damals noch heruntergekommene triste Gegend wurde zum Experimentierplatz für neue Lebensformen.

Das Haus Admiralstraße Nummer 17, das zehn Jahre lang leergestanden hatte und vom Bezirk bereits nach gängigem Modell erworben und zum Abriß vorgesehen worden war, besetzten 1981 ein paar Studenten. Das Gebäude wurde über einen Zeitraum von etwa drei Jahren wieder in einen bewohnbaren Zustand versetzt.

1984 – die ehemalige Bäckerei im Erdgeschoß war endlich vom Müll befreit worden – eröffnete einer der jungen Hausbesetzer in den Erdgeschoßräumen eine Galerie. „Schrott und Bruch“ nannte Michael Fligge sein Projekt, ein bezeichnender Name, der allerdings nur drei Jahre Programm blieb.

Pragmatischerweise war Fligges erste Ausstellung gar nicht der Kunst gewidmet, sondern sie befaßte sich unter dem Titel „Zwischenräume“ mit Kiez-Geschichte. Was damals noch unter dem Gesichtspunkt „städtebauliche Folgen der Hausbesetzer“, (sprich: Selbsthilfeprinzip bei Altbausanierung oder Instandsetzung) als Thema einer Ausstellung dienen mochte, ist dort heute alltäglich zu besichtigende Wirklichkeit geworden: Prägnanter als beim Spaziergang durch die Admiralstraße läßt sich Berliner Sanierungsgeschichte an wenigen Stellen der Stadt finden.

Sachlich und zurückhaltend renovierte Räume erwarten den Besucher heute in der Galerie, die seit 1987 nun „Stil und Bruch“ heißt. Die Vorliebe des Galeristen für die Raumkonzeptionen der ersten documenta, die in der nur dürftig wiederhergestellten Ruine des Kasseler Fridericianums stattfand, oder für die erste Zeitgeist-Ausstellung 1983 im noch unrenovierten Martin-Gropius-Bau ist deutlich spürbar. Erkennbar wird in den weitläufigen Räumen aber auch, was Michael Fligge an dem „Antagonismus einer Galerie“, wie er es verschmitzt nennt, vor allem reizt: In eine Ära sich immer mehr beschleunigender, bewegter Bilder will er stehende Bilder setzen. Die Galerie als ruhender Raum, als Refugium der Kunst.

In den Beruf des Galeristen ist Fligge, nach naturwissenschaftlichem Grundstudium in Bonn und anschließender Flucht ins Theater- und Musikwissenschaftsstudium in Berlin, gleichsam hineingerutscht. Ein Interesse an der (und Liebe für die) Kunst war freilich bereits ein Weilchen vorhanden. Den Stil seiner Galerie aber hat er geruhsam in den ersten drei Jahren entwickelt und nach vielerlei Experimenten auf nicht-realistische Malerei, Objektkunst, Installation und Skulptur reduziert. Am meisten aber reizt es den jungen Galeristen, die Ausstellungen gemeinsam mit den Künstlern zu konzipieren und aufzubauen, immer neuen Umgang mit der Raumsituation zu suchen, kurz: räumlich zu inszenieren.

Mit etwa zehn jungen Künstlern, wie den Bildhauern Pamona Zipser und Jürgen Schön, den Malern Roland Schefferski und Ulrich Rastetter oder den Fotografen Mike Hughes und Elke Nord, die fast alle ihre erste oder eine ihrer ersten Berliner Ausstellungen in seiner Galerie hatten, arbeitet er regelmäßig zusammen. „Stil und Bruch“ gibt aber auch regelmäßig neuen jungen Künstlern einen Raum. Michael Fligge entwickelt seine Galeristen-Perspektive mit entsprechend beharrlicher Gelassenheit: Um sich in diesem Metier durchzusetzen, seien ohnehin 15 Jahre vonnöten, erklärt er ohne Resignation. Und derlei Geduld mag sich lohnen, häufen sich doch zunehmend die Beispiele jener kleinen Galerien, die sich parallel zu den wechselnden Moden der Berliner Kunstszene mit rasender Geschwindigkit gründen, um mit der nächsten niedergehenden Welle dann doch wieder im Nichts zu verschwinden. Walter Kovalski

„Stil und Bruch“, Admiralstraße 17, Kreuzberg, Do.–So., 14–19 Uhr.

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