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Schlechte Chancen für RAF-Gefangene

Das „Solidaritätskomitee für die politischen Gefangenen in der BRD“ appelliert an die Justizministerin, RAF-Gefangene freizulassen / Erfolgsaussichten werden gering eingeschätzt  ■ Aus Bonn Julia Albrecht

Bonn (taz) – Irmgard Möller, Bernd Rössner und Ali Jansen sollen freigelassen werden. Diese Forderung wurde gestern an die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger von dem „Solidaritätskomitee für die politischen Gefangenen in der BRD“ herangetragen. Rund 1.900 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner aus 34 Ländern hatten auf der Menschenrechtskonferenz diesen Sommer in Wien eine entsprechende Forderung unterzeichnet. Auf ihrer Pressekonferenz in Bonn betonten die Komiteemitglieder, unter anderen Gabriele Rollnik (selbst 15 Jahre bis 1992 in Lübeck inhaftiert) und Monika Berberich (von 1970 bis 1988 im Gefängnis), daß sie die Kinkelinitiative für endgültig gescheitert hielten. In einem Gespräch zwischen Anwälten und der Justizministerin im letzten Jahr sei klargeworden, daß sie sich für erleichterte Haftbedingungen, Zusammenlegungen und vereinzelte Freilassungen nicht einsetzen würde.

Bei ihrem Amtsantritt hatte Leutheusser-Schnarrenberger wiederhohlt betont, daß sie die Kinkel-Linie fortsetzen wolle.

Irmgard Möller lebt seit 21 Jahren im Gefängnis, die meiste Zeit unter extremen Haftbedingungen. Sie ist krank, ihr Immunsystem ist schwer angegriffen, und eine Freilassung, so das Komitee, sei nicht nur aus politischen, sondern auch aus humanitären Gründen unumgänglich. Möller kam aus der Studentenbewegung. 1971 schloß sie sich der RAF an und wurde am 6. Juli 1972 verhaftet. Nach einer ersten Verurteilung zu viereinhalb Jahren wurde sie in einem neuen Verfahren 1979 aufgrund der Aussagen eines Kronzeugen zu lebenslänglicher Haft plus 15 Jahren verurteilt. Sie ist die einzige, die in der Nacht des 18. Oktober 1977 in Stuttgart-Stammheim, als Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Andreas Bader ums Leben kamen, überlebte. Seit 1980 ist Irmgard Möller in Lübeck inhaftiert. Anfang November soll es einen Haftprüfungstermin geben. Bedingung für ihre Freilassung ist eine Anhörung, bei der das Gericht zu der Erkenntnis gelangen muß, daß sie auf Dauer dem politischen Kampf abschwört, und die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens.

Das Komitee ist der Ansicht, daß ihre Chancen auf Entlassung nicht zum besten stehen. Dafür spreche nicht nur die allgemeine politische Entwicklung, sondern auch die Tatsache, daß gegen acht bereits seit Jahren Inhaftierte neue Prozesse angestrengt werden. Auch war ein Haftprüfungstermin bei Bernd Rössner mit einer negativen Entscheidung zu Ende gegangen. Er hatte gesagt, er würde dann bewaffneten Widerstand leisten, wenn eine faschistische Regierung an die Macht käme.

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