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Der chinesische Test ermutigt Moratoriumsgegner

■ Interview mit Patricia Lewis vom Londoner „Verification Technology Information Centre“ (VERTIC)

taz: Frau Lewis, VERTIC hat bereits am Dienstag früh den Atomwaffentest von Lop Nor gemeldet. Woher hatten Sie die Informationen?

Patricia Lewis: Wir sind an ein internationales Satellitennetz angeschlossen und haben ziemlich genaue Bilder von Lop Nor, das ansonsten hermetisch abgeriegelt ist. Deshalb wußten wir bereits seit mehreren Wochen von den Testvorbereitungen. Die chinesischen Tests finden wegen der günstigen Wetterbedingungen fast immer im Mai oder Oktober statt. Dieser Test am Dienstag früh wurde von mindestens 71 Erdbebenmeßstationen registriert. Anhand der Druckwelle konnten wir eindeutig feststellen, daß es sich nicht um ein Erdbeben, sondern um eine Atomexplosion gehandelt hatte. Es war der 39. chinesische Atomwaffentest, doch der erste seit Oktober vergangenen Jahres, als sich die USA, Rußland, Frankreich und Großbritannien auf ein Moratorium geeinigt hatten.

Kann der chinesische Test Auswirkungen auf den Atomwaffensperrvertrag haben?

China und Frankreich haben den Atomwaffensperrvertrag erst im vergangenen Jahr unterzeichnet. Das Moratorium für Atomwaffentests gilt als Indikator, wie ernst die Unterzeichnerstaaten ihre Verpflichtungen aus dem Sperrvertrag nehmen, der im April 1995 verlängert werden muß. Die Chancen dafür sind natürlich weitaus größer, wenn dann ein Verbot von Atomwaffentests besteht. Die Verhandlungen darüber sollen im Januar 1994 beginnen, die Vorbereitungen laufen bereits in Genf.

Wie stehen jetzt die Chancen für ein allgemeines Verbot von Atomwaffentests?

Frankreich und die USA haben im Oktober 1992 lediglich gesagt, daß sie nicht als erste Atomwaffentests durchführen werden. Die USA werden sich wahrscheinlich auch nach dem chinesischen Test an das Moratorium halten. Es gab im vergangenen Monat ein Treffen hochrangiger US-Politiker, auf dem beschlossen wurde, nicht schon auf einen einzigen Test zu reagieren. Meine Sorge gilt Frankreich. Das Moratorium ist noch von der alten Regierung ausgehandelt worden. Mitterrand steht zwar nach wie vor dahinter, aber bei der neuen Regierung bin ich mir nicht so sicher. Das französische Militär hat der Regierung einen Bericht vorgelegt, in dem es vermutlich die Wiederaufnahme von Atomwaffentests fordert. Der Test in China verleiht dieser Forderung mehr Gewicht.

Wie groß ist das chinesische Atomwaffenarsenal?

Wir nehmen an, daß China über 400 oder 500 Atomsprengköpfe von fünf oder sechs verschiedenen Typen verfügt.

Exportiert China Atomwaffen oder Atomwaffentechnologie?

Es gibt Gerüchte, daß China Raketen nach Pakistan, Syrien oder in den Iran geliefert hat, doch die Regierung in Peking hat das immer abgestritten. China hat seit dem Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag eine zusätzliche Verantwortung und hat auch eine konstruktive Rolle gespielt, als Nordkorea der Internationalen Atomenergie-Behörde den Zutritt verweigert hat. Um so schwerwiegender ist dieser Test, der zeigt, daß China die Entwicklung seiner Atomwaffen wichtiger ist als die internationalen Bemühungen, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu stoppen. Interview: Ralf Sotscheck

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