: Nachschlag
■ Georg Stefan Trollers „Mord aus Liebe“ im Sputnik-Kino
Vorneweg Gefängnismauern, hinterher Gefängnismauern. Georg Stefan Troller, Journalist und Dokumentarist, befragt Mörder und Totschläger. Tod, Eros, Eifersucht: Sechs Normalsterbliche und zwei Prominente hat Troller sich ausgesucht, die ihre (ehemaligen) Geliebten umgebracht oder es zumindest versucht haben.
Troller fragt im Gefängnis, auf Freigang, zu Hause. Sucht natürlich nach Gründen für den Mord. Kriegt auch Antworten, aber die sind ebenso allgemein wie die Fragen, die Troller stellt. So kommt es, daß er schließlich nichts als trivialpsychologische Merksätze findet, die dem Zuschauer metaphorisch vermittelt werden – durch das Gemäuer im Vor- und Abspann sowie durch wiederholtes Türverschließen: Ob eingesperrt, ob frei – alle diese Täter, „an deren Tat etwas Seelisches haftet“ (O-Ton G.S.T.), sind gefangen auf ewig. Eben „Menschen, die lieber zerstören als verlieren“, wie es im Film heißt.
„Mord aus Liebe“ ist biedere Sex-and-Crime-Variante. In diesem Genre wird bekanntlich zusammenhängende Handlungsführung nur als Vorwand benötigt, um kopulierenden Paaren und diversen Verbrechern (am besten in Personalunion) die Chance zum Auftritt einzuräumen. Zu nichts anderem funktioniert Troller seinen Dokumentarfilm um, nur daß er Sex & Crime quasi aus zweiter Hand präsentiert und überdies zuweilen Verständnis für die Akteure aufbringt. Sozialpädagogisch verbrämter Voyeurismus: Trollers Auserwählte dürfen erzählen, was war, und der Regisseur übernimmt bereitwillig die Rolle des Helfers, der notfalls auch mit dem Mörder zum Tatort zurückkehrt. Wir sehen wahlweise verweinte, abgespannte, verstockte Gesichter. Troller unterbricht die Rede seiner Gesprächspartner per Schnitt nach Belieben, um mal eben noch ein anderes Stück dazwischenzuschieben, ohne daß ein Zusammenhang erkennbar würde.
Reue? Gefühle? Konsequenzen? Norbert K. zum Beispiel ist im Knast zum Vegetarier geworden, weil er sich nicht auch noch am Tod von Tieren schuldig machen will: Troller ist mit dem Mann zum nächsten Bistro gegangen und zeigt Hühnchen am Spieß zur Untermalung.
Trotz der wiederkehrenden rhetorischen Frage, ob er nicht selbst auch in der Lage wäre zu töten, hält Troller allerdings penibel Distanz. Er zeigt sich selbst nie, sondern führt lediglich das Elend seiner Gesprächspartner vor. Seine eigene Rolle ist die der moralischen Instanz, die in der Lage ist, einen Zusammenhang zu entdecken und Ursachen: Isolation, Entfremdung, blinde Wut – „wir leben offenbar in einer Gesellschaft ohne Gott und ohne Karl Marx“. Friederike Freier
„Mord aus Liebe“, 88 min, Buch und Regie Georg Stefan Troller, Kamera Wolfgang Dickmann und Jörg Widmer, bis zum 20.10. tgl. 19.30 Uhr im Sputnik, Nollendorfplatz 5
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