: „Das ist nichts als ein Rachefeldzug“
■ West-Eigentümer verlangt von ehemaligen Ost-Mieter 100.000 Mark wegen unerlaubter Renovierung und Anbauten
„Soll ich nun etwa mein ganzes Leben dafür zahlen, daß ich mich als Ost-Bürger in Treu und Glauben an die damaligen Gepflogenheiten gehalten habe?“ Hans-Peter G., ehemaliger Mieter des Einfamilienhauses Robert-Koch- Straße 38 in Berlin-Kaulsdorf, schaut sichtlich erregt zum Richter. Der gibt den Blick weiter an den Kläger. Dessen kurzes Kopfschütteln macht deutlich, daß der Vermittlungsversuch des Vorsitzenden der 67. Zivilkammer des Landgerichts gescheitert ist. Das Gerichtsdrama Ost-Mieter gegen West-Eigentümer wird bis zum Urteil ausgespielt.
Exakt 95.857 Mark Schadenersatz verlangt Günter P., in West- Berlin lebender Eigentümer des Kaulsdorfer Grundstücks, von seinem ehemaligen Mieter. Der Grund: Hans-Peter G. hatte sich nach seinem Auszug vor zwei Jahren geweigert, das Haus, wie vom Eigentümer gefordert, in seinem ursprünglichen Zustand zu übergeben. Schließlich, argumentierte der Mieter, sei sowohl der Bau einer Garage als auch der Einbau einer Gasheizung vom damaligen Vermieter, der Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) bzw. einem Rechtsgutachter genehmigt worden. Außerdem hätten die Einbauten rund 60.000 Mark gekostet. „Im Grunde“, sagte Hans-Peter G., „wäre ich derjenige, der Geld bekommen müßte.“ Was G. übersah: Er hatte gegenüber der KWV eine Anlage zum Mietvertrag unterschrieben, in der er sich verpflichtete, zumindest die Garage beim Auszug wieder abzureißen, es sei denn, es finde sich ein entsprechender Nachmieter.
An dem jedoch hat wiederum Günter P. kein Interesse. Seit zwei Jahren steht das nunmehr 65jährige Haus leer und verfällt. „Dem geht es doch nur darum, jetzt abzukassieren und dann die Hütte zu verkaufen“, mutmaßt Hans-Peter G., der sich wiederholt als Opfer der Einheit bezeichnet und betont, daß er weder Geld noch Vermögen habe, die von Preuß geforderte Summe zu zahlen.
In erster Instanz wurde G. bereits zur Zahlung von 60.000 Mark verurteilt. P. hatte auf 77.000 Mark geklagt, beide Parteien waren in Berufung gegangen. Der Vorsitzende Richter des Landgerichts, Hoffman, bemühte sich nun sichtlich darum, das damals geltende Zivilgesetzbuch der DDR zur Grundlage seiner Beurteilung zu machen. Außerdem, so der Richter, könne aufgrund der DDR- Wohnverhältnisse von einem öffentlichen Interesse ausgegangen werden, wenn die Mieter in Eigenleistungen den Zustand der Wohnungen verbesserten. Hofmann ließ durchblicken, daß er aus diesem Grunde auch den Schadenersatzforderungen wegen des Einbaus einer Gasheizung oder angeblich unterlassener Schönheitsreparaturen nicht folgen werde. Anders dagegen sehe es bei dem Bau der Garage aus. Ob Hans-Peter G. deshalb mit einem Vergleich über die Summe von 30.000 Mark in Monatsraten von 150 Mark einverstanden sei, wollte der Richter wissen. Doch bevor G. darüber nachdenken konnte, hatte der Kläger bereits abgelehnt. Er blieb bei seinen Forderungen. G.s Anwalt beantragte dagegen deren Zurückweisung. „Mit solchen Klauseln hat man es in der DDR einfach nicht so ernst genommen“, sagt Hans-Peter G. Auf den Richter, der gestern noch kein Urteil fällte, kann er nicht richtig böse sein, nur Günter P., der versuche nun mit allen Mitteln, sich an ihm zu rächen. Der Grund: Nachdem G. 1980 mit Hilfe eines Rechtsgutachtens, aber gegen den Willen des Eigentümers die Gasheizung einbaute, übernahm die KWV schließlich die Verwaltung des Hauses. Uwe Rada
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