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Polen: Linke in den Schuldenfesseln

Nationalbank und Sachzwänge lassen kaum Raum für mehr Sozialausgaben / Westliche Banken weigern sich, einem Schuldenerlaß zuzustimmen / Skepsis bei IWF und Weltbank  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Die Koalitionsverhandlungen zwischen der Polnischen Bauernpartei und der exkommunistischen Linken wollen nicht enden. Sie werfen inzwischen auch ihren Schatten auf die Verhandlungen Polens mit seinen westlichen Gläubigerbanken. Die Regierung möchte ein Umschuldungsabkommen abschließen, um ihre Auslandsverbindlichkeiten um die Hälfte reduzieren zu können.

Die Banken, die sich im sogenannten Londoner Klub zusammengeschlossen haben, lehnen jedoch einen solchen Schuldenerlaß bisher beharrlich ab. Polen dagegen besteht darauf und begründet seine Forderung damit, daß der Pariser Klub der staatlichen Gläubiger vor zwei Jahren die polnischen Schulden auf diese Weise reduziert habe.

Das Argument ist wenig überzeugend. Denn für die Finanzminister der insgesamt 17 Gläubigerländer waren politische Argumente zu berücksichtigen. Für die privaten Banken hingegen haben nur wirtschaftliche Gesichtspunkte Gewicht. Deshalb gilt es inzwischen auch als unwahrscheinlich, daß die Verhandlungen noch – wie von Finanzminister Osiatynski erhofft – in diesem Jahr zum Abschluß kommen. Die Gläubigerbanken werden mit Sicherheit mindestens das Wirtschaftsprogramm der neuen Regierung abwarten.

Allein schon der Linksrutsch bei den Wahlen hat auf den internationalen Finanzmärkten zu einem leichten Wertverlust polnischer Schuldentitel geführt, die ihren Höchststand zu Zeiten der Regierung Suchocka mit um die 40 Cents pro Schuldendollar erreicht hatten. Zwar hatte noch vor kurzem US-Präsident Clinton versucht, Frau Suchocka mit einem Brief unter die Arme zu greiffen, in dem er sich ebenfalls auf den Standpunkt stellte, die Schuldenreduktion durch den Londoner Klub müsse derjenigen durch die Staatsgläubiger entsprechen. Doch der Einfluß der USA auf die jetzigen Verhandlungen ist relativ klein: Allein 24 Prozent der polnischen Bankenschulden befinden sich in der Hand deutscher Institute, nur 18 Prozent der insgesamt 12,3 Milliarden Dollar gehören den US-Banken.

Polens Gesamtverschuldung beträgt zur Zeit 47 Milliarden Dollar, für den Schuldendienst hat das Land im letzten Jahr insgesamt etwas über anderthalb Milliarden Dollar aufgebracht. Das entspricht etwa 11 Prozent des polnischen Exportes im vergangenen Jahr.

Haben Polens Gläubiger ihre Schwierigkeiten mit den voraussichtlich neuen Machthabern, so gilt das auch umgekehrt: Westliche Banken ebenso wie Weltbank und IWF nehmen die Ankündigungen von Polens Linken, das Budgetdefizit für höhere Sozialausgaben zu erhöhen, mit großer Skepsis auf. Da die Nationalbank zum Einflußgebiet Lech Walesas gehört und Nationalbankchefin Gronkiewicz- Waltz die Finanzierung eines höheren Defizits bereits abgelehnt hat, bleibt dazu nur noch der polnische Kapitalmarkt als neue Geldquelle übrig. Doch dessen Inanspruchnahme würde zu noch höheren Kreditzinsen führen, welche wiederum die Bauern und damit die Wähler der Bauernpartei am härtesten treffen.

Mehreinnahmen im Budget sind deshalb nur über höhere Steuern zu erzielen, was unpopulär ist, oder über eine Verringerung der Schuldenzahlungen ans Ausland. IWF und Weltbank pochen aber darauf, daß der bisherige Sparkurs fortgeführt werde – und die Gläubigerbanken des Londoner Klubs haben ihre Schuldenreduzierung davon abhängig gemacht, daß zwischen IWF und dem polnischen Staat ein Kreditabkommen zustande kommt.

So schließt sich der Kreis. Indiskretionen nach zu schließen, die aus den Koalitionsverhandlungen nach außen dringen, scheinen sich Polens Sozialdemokraten allmählich mit dieser Lage abzufinden. Ganz anders dagegen die Bauernpartei und die „Union der Arbeit“: Beide werfen der exkommunistischen Linken inzwischen schon vor, „noch liberaler und monetaristischer als die Rechte“ zu sein.

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