: Elrond ist „kein Therapieschuppen“
■ Selbsthilfegruppe „Elrond“ für Ex-Junkies feiert 10jähriges Bestehen und will Haus kaufen
Entstanden ist die Idee aus der Not: „Eine Handvoll Fixer und Alkoholiker hatte nach ihrer Therapie einen Menge scheinbar unlösbarer Probleme: keine Arbeit, keine Zukunftperspektive, keine nüchternen Freunde. Wir wollten einfach nur zusammen nüchtern leben und arbeiten, ohne daß uns ein Therapeut, Psychologe oder Sozialarbeiter in unser Leben reinredet.“ So beschreibt Elrond, eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft gemeinschaft für Ex-Junkies, ihre Anfänge von 1983.
Begonnen hat alles in der Neustadt. Inzwischen leben 20 Menschen in zwei Häusern nach den Grundsätzen von Elrond: „Keine Gewalt, keine Drogen, Offenheit und Ehrlichkeit“. Schließlich stammt der Name Elrond aus dem Buch „Herr der Ringe“ und bedeutet „Haus des Friedens“. Wer aufgenommen werden will, sagen die Leute von Elrond, muß sich auf einiges einlassen: Er muß entgiftet sein und die Bereitschaft zeigen, Konflikte unter den Bewohnern gewaltlos auszutragen. „Ein Balance-Akt zwischen Disziplin und freier Entfaltung“, wie es heißt. Elrond ist „kein Therapieschuppen“, denn es fehlen TherapeutInnen und SozialarbeiterInnen. Bei Elrond leben und arbeiten Süchtige miteinander ohne zeitliche Begrenzung. Jeder kann solange bleiben, wie er/sie will — falls die Regeln eingehalten werden. „Diese Alternative zur normalen Therapieeinrichtung ist ein langsamerer, aber dafür umso bewußterer Weg, drogenfrei zu leben“, erklärt Rolf Engelhardt, ein Gründungsmitglied. Ein Muß bei Süchtigen, meinen alle bei Elrond, ist die 3 monatige Kontaktsperre nach Einzug in die Wohngruppe. In dieser Zeit gibt es kein Taschengeld. Für den Lebensunterhalt — bis hin zum Tabak — kommt der gemeinsame Topf auf.
Elrond ist als Selbsthilfe nach §35 und §36 BtmG anerkannt — so können sie auch Süchtige mit Haftstrafen oder in offenen Verfahren aufnehmen. Da der Verein keine Pflegesätze aus der Renten- und Krankenversicherung wie eine Therapieeinrichtung erhält, ist er auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Die 1988 gegründete Selbsthilfe und Dienstleistungs GmbH trägt dazu bei, daß sich Elrond momentan zu 80 Prozent selbst tragen kann. Die restlichen Beträge stammen aus Spenden, Buß- und Lottogeldern. Seit einigen Jahren gibt es Zivildienstleistende, eine Stammkraft vom Senat getragen und ABM-sowie BSHG19-Kräfte.
Die GmbH betreut den Wirtschaftsbetrieb, die Werkstätten (Tischlerei, Malerei) und den Dienstleistungsbereich (Transporte, Umzüge, Entrümpelungen). Der Verein sorgt für die Häuser und die Wohnung, den BewohnerInnen, die Bewirtschaftung und den Info-Laden. Mittlerweile arbeiten auch von außerhalb ehemals Drogenabhängige bei Elrond.
Elrond expandiert: in der Stader Landstraße wurde eine ehemalige Gärtnerei übernommen und in Werkstätten, Wohnhäuser und einen Infoladen umgebaut. Um den Wohnbereich noch auszuweiten, will Elrond nun Haus und Grundstück kaufen. Auf diesem Areal sollen Wohngemeinschaften von ehemaligen Drogenabhängigen entstehen, die innerhalb von Elrond leben, aber außerhalb arbeiten wollen. Langfristig sollen dabei über 30 Wohnplätze geschaffen werden. pro
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