piwik no script img

Wichtiger politischer Stichwortgeber

Die politische Wirksamkeit eines Käseblattes zwischen Verharmlosung der Verbrechen gegen Ausländer und der Etablierung rechter Ideologien in der gesellschaftlichen Mitte  ■ Von Siegfried Jäger

Bild wird häufig als eine Zeitung bezeichnet, die politisch nicht ernst zu nehmen sei. Auch unter eifrigsten Bild-LeserInnen kursieren Witze wie der, man brauche das Blatt nur schräg zu halten, dann fließe Blut heraus. Bild wird insgesamt als ein Käseblatt ohne politische Wirksamkeit angesehen.

Ein schwerwiegender Irrtum, denn Bild ist ein wichtiger politischer Stichwortgeber. Für das Alltagsbewußtsein im Lande, aber auch für andere, sogenannte seriöse Medien. Diese greifen häufig die Themen auf, die von Bild (wie auch immer krude und scheinbar platt) vorgegeben worden sind. Und: Bild ist eine Gefahr für die Demokratie – und besonders für die seit langem bereits in Deutschland lebenden EinwanderInnen.

Bild verurteilt zwar rassistisch motivierte Gewalttaten; sie schürt aber zugleich einen latenten Rassismus, der den Boden für neue Gewalttaten bereitet. Diese Doppelstrategie ist seit vielen Jahren zu beobachten, so auch nach den Verbrechen in Hoyerswerda, Hünxe, Rostock, Mölln und Solingen. In der „Normal“-Bevölkerung wird dies so aufgenommen, daß die Terroranschläge zunehmend verurteilt werden und zugleich weiter die Ablehnung des Fremden, des „Unangepaßten“ vorherrscht. Auf diese Weise bleibt der Boden für weitere Anschläge erhalten.

So fördert und verstärkt Bild den Diskurs des Rassismus, der in (Teilen) der Bevölkerung Dispositionen zur Gewaltanwendung gegenüber EinwanderInnen, Flüchtlingen und ihren Kindern erzeugt. Dies gilt insbesondere dann, wenn dieser Diskurs von einem Sozialdiskurs begleitet wird, der das Gespenst zunehmender Verarmung der Bevölkerung an die Wand malt – wie dies gleichzeitig in Bild zu beobachten ist.

Die Verbrechen gegen EinwanderInnen und Flüchtlinge werden in Bild durchgängig als Randgruppenproblem verharmlost. Die Täter werden als „Spinner“, dumme Jungs oder als ein paar ausgeflippte Rechtsextremisten dargestellt. Dadurch wird davon abgelenkt, daß das Erstarken rassistischer Diskurse ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, das „in der Mitte der Gesellschaft“ angesiedelt ist.

Bild unterscheidet zwischen guten und schlechten „Ausländern“ und spaltet damit diesen Personenkreis. Gute „Ausländer“, das sind diejenigen, die sich anpassen (assimilieren). Dies sind insbesondere die sogenannten „Gastarbeiter“, sofern diese sich deutschen Sitten und Gebräuchen mehr oder minder restlos unterwerfen. Schlechte „Ausländer“, das sind diejenigen, die sich nicht an unsere „Normalität“ anpassen, die ihre eigenen Sitten und Gebräuche pflegen, insbesondere ihre Religion (meist in Gestalt des Islam) praktizieren, die auf „unsere“ Kosten leben usw. Dabei richtet sich Bild vor allem gegen Flüchtlinge, die sie weiterhin fast durchweg „Asylanten“ nennt, obwohl dieses Wort nachweislich als ein Schimpfwort verstanden wird, das den so bezeichneten Leuten Eigenschaften zuweist, die sie als Menschen zweiter Klasse oder Schlimmeres erscheinen läßt.

Bild drängt die PolitikerInnen zur Verschärfung von Gesetzen, die die „Innere Sicherheit“ gewährleisten sollen, besonders aber von solchen, die sich gegen EinwanderInnen und Flüchtlinge richten. Als spektakulärste Beispiele seien nur das neue Ausländerrecht genannt und die Neufassung des Asyl-Artikels des Grundgesetzes.

Bild arbeitet an der Integration (zumindest von Teilen) rechtsextremer Ideologie in die Mitte der Gesellschaft und trägt damit zur Stärkung rechtsextremer Parteien bei. Wie zunehmend auch die CDU betreibt Bild im Kern eine rechtsextreme („republikanische“) Politik, ohne sich äußerlich mit rechtsextremen Positionen identifizieren zu wollen; sie übernimmt aber häufig vollständig solche Positionen, die den Ideologiegebäuden rechtsextremer Parteien entliehen sind. Diese werden in der Mitte der Gesellschaft hoffähig gemacht. Diese Verschiebung der politischen Landschaft wird durch die Technik der Normalisierung erzeugt: durch eine „Normalisierung“ des Un-Normalen.

Um das ins Wanken gekommene Bild von der „Normalität“ zu reparieren, arbeitet Bild daran, die durch den Rechtsterror in der Bundesrepublik entstandene politische Schieflage wieder ins Lot zu bringen. Sie tut dies, indem sie linke Aktivitäten diskursiv hochspielt und Linke jeder Couleur ausgrenzt und kriminalisiert. Dies war bereits in Verbindung mit der Verabschiedung des neuen Asyl-Artikels 16 a des Grundgesetzes zu beobachten und erlangte einen langanhaltenden Höhepunkt mit den Festnahmen von mutmaßlichen Mitgliedern der RAF in Bad Kleinen. Auch durch die Art und Weise, wie Bild die Fahndung nach mutmaßlichen RAF-Terroristen herausstellte, wie sie die Fahndungspannen ins Bild setzte und diese kommentierte. Der Eindruck, daß Deutschland eine Gefahr von rechts drohe, soll damit aufgewogen und der grassierende Rassismus normalistisch integriert werden. Ziel ist, die politisch motivierten Verbrechen ganz allgemein als Probleme des Links- und Rechts-Extremismus erscheinen zu lassen. Damit soll klargemacht werden, daß Deutschland – „wir“ Deutschen – eine ganz normale, keineswegs aggressive oder gar rassistische Gesellschaft darstelle(n). Zugleich kann dieser Diskurs dazu genutzt werden, die Notwendigkeit der Verschärfung von Gesetzen zur Wahrung der Inneren Sicherheit als unabdingbar erscheinen zu lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen