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Großdeutsche Jungmänner

■ Neurechte Wochenzeitung "Junge Freiheit" predigt Elitekult und Biopolitik

Rechtzeitig zum Superwahljahr 1994 hat die „neurechte“ Monatszeitung Junge Freiheit (JF) Freiburg verlassen und ist nach Potsdam umgezogen. Ab Januar soll JF als Wochenblatt erscheinen.

Über die Junge Freiheit ist bereits viel geschrieben worden, etwa im jüngsten Kursbuch, das dem Thema „Deutsche Jugend“ gewidmet ist. Auf diesem Gebiet sind die JF-Jungmänner – Frauen sind rar in der Redaktion – zweifellos „Experten“. Sie sind die Enkel derer, die heute in den Chefetagen des rechtsextremen Lagers kurz vor ihrer überfälligen Pensionierung stehen, nachdem sie mit ihrem Bekenntnis zum „Deutschtum“ nach 1945 nie so recht Karriere machen konnten. Die JF-Jungmänner stehen in dieser generationsübergreifenden Tradition. Gleichwohl kritisieren sie die Alten wegen ihrer Erfolglosigkeit und Borniertheit und rechnen sich dies als Verdienst ihrer Jugendlichkeit hoch an. Immerhin aber war es ein älterer Herr namens Dr. Walter Staffa, der dem JF-Team den Slogan „Die junge Generation an das Steuer“ mit auf den Weg gab (JF 2/87). Staffa ist heute Vorsitzender des „Witiko- Bundes“, eines elitären Braintrusts innerhalb der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL), der sich als „nationale Gesinnungsgemeinschaft“ mit revisionistischen Ansprüchen versteht und das wichtigste Einflußorgan innerhalb der SL darstellt.

Der Name der Zeitung reflektiert nicht nur eine spezifische Generationslage. Wichtiger ist der Bezug auf die Ideenwelt der „Konservativen Revolution“. Er vermittelt eine Botschaft, in der die Anrufung der Jugendlichkeit mit einer Kampfansage an den politischen „Feind“, den Liberalismus und das liberalistische „System“, verbunden wird, als dessen vornehmliche Gestalt freilich die 68er- Generation identifiziert wird. Die JF-Parole „Die Freiheit ist noch jung“ ist kein pfiffiger Werbespot für den FDP-Nachwuchs. Vielmehr handelt es sich um ein Remake der Bekenntnisformel des konservativ-revolutionären Propheten Moeller van den Bruck: „Im liberalen Menschen erkennt die deutsche Jugend den Feind.“

In diesem Sinne predigen die JF-Jungmänner die Unterwerfung der Subjekte unter eine im Namen des „Staates“, der „Nation“, des „deutschen Volkes“ oder schlicht im Namen des „Lebens“ und der „Existenz“ überhöhte und verklärte Wirklichkeit. Das ist ihr Verständnis von Freiheit. Freiheit, recht(s) verstanden, ist freiwillige „Bindung“ an ein unhinterfragbar Gegebenes. Freilich muß das, an das die Subjekte sich zu binden haben, erst in einem kulturrevolutionären Exorzismus zur Geltung gebracht werden.

Dieser „heroische Realismus“ ist nicht nur angelesen. Es handelt sich auch um einen Habitus, den sich die jungen Leute in ihrer familiären und politischen Sozialisation angeeignet haben. Markante Eckpfeiler der Biographie sind bei wichtigen Mitgliedern der Redaktion die Zugehörigkeit zu dem sich zum Revanchismus bekennenden Nachwuchs der Vertriebenenverbände (Sudetendeutsche Landsmannschaft, Witiko-Bund); ein elitäres, teils akademisch, teils bündisch geprägtes Auserwähltheitsgefühl als Mitglieder einer studentischen Korporation (Deutsche Burschenschaft, Deutsche Gildenschaft) und erfolgversprechende politische Lehr- und Gesellenjahre im verzweigten Netz des Rechtsextremismus und Rechtskonservatismus.

Was läßt sich nun von diesen „Herren“ in Zukunft erwarten? – Die Ideologie der JF läßt sich insgesamt mit dem Begriff des „völkischen Nationalismus“ fassen. Wesentliche Bestandteile dieser die deutsche Geschichte prägenden Version des Nationalismus sind: ein ethnisch beziehungsweise rassistisch geprägtes Verständnis der Nation, die Vorrangstellung der Volksgemeinschaft gegenüber den Individuen, ein autoritäres Staatsverständnis samt Elite- und Führerkult, die Heroisierung des loyalen Bürgers, Freund-Feind-Denken, ein biopolitisches Verständnis des „Volkskörpers“ und der Primat der Außenpolitik, basierend auf einem imperialen Machtstaatsdenken.

JF fühlt sich der Aufgabe verpflichtet, diese neue (und zugleich alte) Weltanschauung und Staatsideologie, für die es freilich genügend Anknüpfungspunkte in der offiziellen Staatsideologie gibt, in den Köpfen besonders der organischen Intellektuellen zu verankern. Sie reflektiert damit auf eine Tendenz, die schon gegeben ist. Mit der „Wiedervereinigung“ und dem Zusammenbruch des Realsozialismus steht die Neudefinition der Rolle Deutschlands an. Rückkehr in die „Weltpolitik“ ist angesagt.

Für die JF und ihr Umfeld steht fest: der Kampf um die „Normalität“ eines neoimperialen Deutschlands ist in eine neue Phase getreten. Die „deutsche Frage“ ist keineswegs gelöst, die Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges keineswegs abgeschlossen. Es darf wieder um ein zukünftiges Großdeutschland als hegemonialem Kern eines mitteleuropäischen Staatenverbundes gerungen werden. Das ist die zentrale publizistische Aufgabe, der sich JF verschreiben wird. Einem revisionistischen Umfeld entsprungen, wird sie sich als Sprachrohr der revisionistischen Kräfte in Deutschland zu profilieren versuchen.

Eine zweite Aufgabe ergibt sich speziell aus dem Bedingungsverhältnis von außenpolitischen Zielsetzungen und gesellschaftlichen Gestaltungsprinzipien. Für die JF versteht es sich von selbst, daß ein „Gegen 68“ dringender denn je erforderlich ist, um den Anforderungen der Nation in der Weltpolitik Genüge leisten zu können. Der Hauptfeind, das liberalistische System, wird in dieser Sichtweise von den 68ern in allen „Systemparteien“ und Bevölkerungsschichten getragen. Hier für Abhilfe zu sorgen, die Gesellschaft im Sinne klarer Freund-Feind-Unterscheidungen zu sortieren und zu formieren – diesem Geschäft wird sich JF mit inquisitorischem Eifer verschreiben. Carl Schmitt läßt grüßen. Helmut Kellershohn

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