piwik no script img

Gegen das „Feindbild Islam“

■ Auftakt einer Vortragsreihe des DAB / Streit um Koran-Kommentar

Die Diskussion begann, als sie eigentlich zu Ende war. Nach dem Vortrag des Berliner Hochschuldozenten Hamadi El-Aouni über den „Islam als Glaube, als Identität und soziale Realität“ (so der akademische Titel) bildeten sich Zuhörer-Grüppchen und ereiferten sich über den „richtigen“ Zugang zum Islam: Eine Gruppe arabischer Männer geriet mit dem Dozenten lautstark in Streit: Hat Allah (wie der „Kommentar“ zum Koran, der Hadith, berichtet) tatsächlich die Seele eines toten Säufers der eines gläubigen Wucherers vorgezogen?

Mit diesem Abendreferat begann der Dachverband der Ausländer-Kulturvereine in Bremen am vergangenen Wochenende eine Vortragsserie im Übersee- Museum. Anlaß der Seminarreihe ist das 10jährige Bestehen des Dachverbandes. Im völlig überfüllten Vortragssaal des Übersee-Museums hatten sich zu gleichen Teilen Muslims wie auch Studenten und einige ältere Bildungshungrige eingefunden.

Allerdings wurde der Vortrag seinem Untertitel, eine „zukunftsorientierte Betrachtung“ der arabisch-islamischen Welt zu liefern, nicht gerecht. Stattdessen Altbekanntes aufgewärmt: Durch bewußte Falsch-Übersetzungen islamischer Glaubensbegriffe werde dessen Bild in der westlichen Öffentlichkeit entstellt. Das Feindbild „Islam“ habe als Ersatz für das verlorengegangene Feindbild des Kommunismus herhalten müssen. Dies setze die lange Tradition der Kolonialherren fort, die die islamische Identität untergraben wollten, und schließlich instrumentalisierten diese wie auch muslimische Möchtegern-Potentaten den Islam, um an Einfluß im Volk zu gewinnen.

Warum ein Teil der Muslims für die einfachen Parolen der Fundamentalisten überhaupt empfänglich ist, ließ El-Aouni ungeklärt. Kein Wort von der hohen Jugendarbeitslosigkeit in den arabischen Ländern und dem sozialen Engagement der Islamisten, die damit offene Türen einrennen. Somit war das Feindbild skizziert: der gefräßige westliche Kapitalismus ist am falschen Bild vom Islam schuld.

Vielleicht war aber auch die — vom Referenten angekündigte — Polemik der Grund dafür, daß der Vortrag ein geteiltes Echo fand? „Müll und Schrott“, beschwerte sich ein rund 50jähriger Mann, habe El-Aouni auf die Zuhörer ausgekippt. Ein junger Tunesier bemängelte, daß der Referent sich zu sehr dem „Berosigen alter Zeiten“ hingegeben habe. Auf mögliche Lösungen für die Probleme der arabischen Welt habe er jedoch nicht hingewisen.

Die meisten anwesenden Muslime interessierte demgegenüber mehr, was des Muslim rechter Glaube sei: Sie hatten sich eine theologische Hilfestellung erwartet. Die allerdings konnte und wollte der Referent nicht geben. Arvid Friebe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen