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Binnengrenzen bleiben bestehen

■ Inkrafttreten des Schengener Abkommens auf Februar verschoben

Paris (taz) – Zum dritten Mal hat die Schengen-Gruppe das Inkrafttreten des Abkommens über den freien Personenverkehr innerhalb der Gemeinschaft verschoben. Die neun Regierungsvertreter (Dänemark, Großbritannien und Irland gehören nicht zur Schengen-Gruppe) beschlossen am Montag in Paris, daß die Grenzkontrollen nicht am 1. Dezember, sondern erst am 2. Februar wegfallen sollen. Das neue Datum „verpflichtet zum Ergebnis“, beteuerte der französische Europaminister Alain Lamassoure. Ähnliche Floskeln hatte er auch schon bei der letzten Verschiebung von Juli auf Dezember gebraucht.

Als das Abkommen vor neun (!) Jahren im Luxemburger Städtchen Schengen unterzeichnet wurde, hatten die EG-Regierungen ihren BürgerInnen versprochen, daß am 1. Januar 1993 alle Binnengrenzen wegfallen würden. Freizügigkeit gibt es seither auch wirklich, allerdings nur für Geld, Dienstleistungen und Waren. Menschen können an innereuropäischen Schlagbäumen und Flughäfen weiterhin beliebig aufgehalten und durchgecheckt werden.

Den Regierungen ist es zu gefährlich, das ungehinderte Reisen zu erlauben, solange die neuen, grenzübergreifenden Polizeikontrollen nicht voll funktionieren. Wesentliche Voraussetzung für die versprochene Freiheit ist das „Schengener Informationssystem“ (SIS), ein Datenverarbeitungssystem, das die französische Staatsfirma Bull in Straßburg aufbaut. Der Computer soll einmal bis zu elf Millionen Daten über „unerwünschte“ Personen und über Diebesware speichern, die alle nationalen Polizeien abrufen können. Auf diese Weise soll neben der Kriminalität und dem Drogenhandel vor allem das Schreckgespenst aller EG-Länder – der Flüchtling – bekämpft, das heißt an den Außengrenzen erfaßt und abgewiesen, werden. Bisher produziert der Computer jedoch nur Pannen: Er kann nicht einmal 5.000 Karteien verdauen, so Lamassoure.

Die technische Schwäche paßt der französischen Regierung hervorragend ins Konzept: Paris ist nämlich der eigentliche Bremser. Deutschland, die Niederlande und Spanien hatten vergeblich darauf gedrängt, das Abkommen am 1. Dezember „teilweise“ in Kraft zu setzen. „Schengen ist eine Nagelprobe für die EG“, hatte Bernd Schmidbauer, Staatsminister im Kanzleramt, kurz vor dem Rückzieher in Paris gesagt. „Wir müssen ein klares Signal setzen, den Pessimismus überwinden und die nationalen Sicherheitsinteressen zurückdrehen.“ Er schlug vor, die BürgerInnen mit ein paar kontrollfreien innereuropäischen Flügen zu beglücken und in einigen außereuropäischen Ländern bereits das neue einheitliche EG-Visum einzuführen. Daraus wird also nichts.

Paris wünscht nämlich, daß das Parlament ohne Druck die geplante Verfassungsänderung zum Asylrecht beschließen kann. Nach heutigem Recht darf Frankreich die Drittstaatenklausel – wonach ein Asylbewerber seinen Antrag nur in einem EG-Land stellen darf – nicht praktizieren, wenn sich der Flüchtling auf die Verfassung beruft. Der sozialistische Staatspräsident und sein konservativer Premierminister haben sich jedoch schon auf einen Verfassungszusatz geeinigt, der dieses vor 200 Jahren formulierte Recht aus den Angeln hebt; bis zum Jahresende dürfte die Revision abgesegnet sein. Die Abschottung der Festung Europa geht weiter. Bettina Kaps

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