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Wo schlummert das Seveso-Gift?

■ Neue Geheim-Dokumente weisen nach Schönberg

Während das mecklenburgische Umweltministerium seit Mittwoch auf einer Teilfläche der Sondermüll-Deponie Schönberg mit elektromagnetischen Wellen und Bodenradar nach 41 Fässern voll Dioxin sucht, veröffentlichten gestern in Lübeck der WDR-Journalist Eckehard Sieker, der Grüne Günther Wosniza und der belgische Europaparlaments-Abgeordnete Paul Staes über 40 Geheimdokumente über die Odyssee des Ultragiftes. Belege dafür, daß die 41 Fässer mit insgesamt 6,5 Tonnen Dioxin sowie weitere 150 Tonnen kontaminierte Abfälle aus Seveso tatsächlich auf Europas größter Mülldeponie vergraben wurden.

Die Fässer sollen über Hamburg, Lübeck und Wismar nach Schönberg gelangt sein, während die 150 Tonnen unter tätiger Mithilfe des Lübecker Müll-Händlers und Schönberg-Betreibers Adolf Hillmer per LKW auf die Deponie gekarrt worden sein sollen. Auch Teile der schleswig-holsteinischen Landesregierung sollen von dem Abfall-Export gewußt haben. So hat nach Zeugenaussagen und Unterlagen ein Lübecker Beamter, der 1982 einen italienischen Mülltransport kontrollieren wollte, von einem Kieler Ministeriumsmitarbeiter den Hinweis erhalten, es handele sich hierbei um Seveso-Müll.

Die 41 Fässer mit stark dioxin-verseuchtem Seveso-Müll wurden im September 1982 verpackt und von der Firma Mannesmann Italia und dem französischen Müllhändler Bernhard Paringaux nach Frankreich transportiert, wo sie für sieben Monate spurlos verschwanden. Im Mai 1993 angeblich wiedergefunden, wanderten sie in einen Spezialofen des Chemie-Konzerns Ciba Geigy in Basel. Obwohl Experten damals bestätigten, daß es sich um den Seveso-Müll gehandelt habe, bestehen daran Zweifel. Aussehen, Gewicht und Beschriftung der Fässer, die Seveso verließen, stimmen nach Zeugenaussagen und Dokumenten nicht mit den Baseler Fässern überein.

In einem Brief vom 4. November 1982 der Paringaux-Firma „Spelidec“ bescheinigt diese, dioxinverseuchte Abfälle aus Seveso „durch Ablagerung in einer genehmigten, kontrollierten Deponie“ beseitigt zu haben und verweist dabei auf einen Briefwechsel, in dem es ausschließlich um die Deponie Schönberg geht. In einem Interview mit Ekkehard Sieker bestätigte Paringeaux im März 1993: „Die Fässer mußten zur Deponie von Schönberg in der DDR gebracht werden“.

Ein weiterer Beleg: Mannesmann Italien, eine Tochter der deutschen Mannesmann, war für den Transport der Fässer verantwortlich. Das Unternehmen aber hatte sich bereits im April 1982 in einen Vertrag mit der DDR-Firma Intrac verpflichtet, seinen gesamten Abfall, der nicht auf italienischen Deponien unterzubringen ist, ausschließlich nach Schönberg abzuführen. Marco Carini Siehe Bericht Seite 6.

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