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Kresnik geht, Tanztheater bleibt, Linke kommt

■ Susanne Linke wird ab der nächsten Spielzeit in Bremen Tanztheater machen / Johann Kresnik kriegt eine eigene GmbH in Berlin

Nach all dem Gezerr und Gezänk um Hans Kresniks Verbleib, nach all dem Hin und Her ist nun doch noch eine Entscheidung gefallen. Sie lautet: Hin! Zur nächsten Spielzeit wechselt Kresnik samt Ensemble an Frank Castorfs Volksbühne nach Berlin.

Er soll dort allerdings nicht direkt dem Hause eingegliedert werden. Vielmehr soll eine eigene Kresnik-GmbH als Trägerin des neuen Berliner Tanztheaters auftreten. Diese GmbH wird, soweit sich bisher sagen läßt, der Volksbühne auf zunächst fünf Jahre „assoziiert“.

Am Donnerstag abend waren in dieser ausdauernd verschleppten Angelegenheit noch einmal heftig die Faxe geflogen. In einem Gespräch mit dem zukünftigen Bremer Intendanten Klaus Pierwoß, den es schwer nach einer Lösung verlangte, hatte dann der Berliner Kultursenator Roloff-Momin diese GmbH-Variante im letzten Moment aus dem Hut gezogen.

Sie hat, wie jedenfalls Kenner vermuten, den Vorteil, daß die Gelder, die einer solchen GmbH zugewendet werden, nicht derart unmittelbar dem Zugriff des Berliner Haushaltsausschusses unterliegen wie etwa die Förderung der öffentlich subventionierten Volksbühne. Bekanntlich hatte es um die Kosten, die Kresnik verursacht, in Berlin einen zähen Streit gegeben.

Die neu zu gründende GmbH soll nun eine flexiblere Finanzierung erlauben wobei durchaus auch Lottomittel fließen könnten. „Wir glauben, daß wir in den nächsten Tagen ein Modell hinkriegen, das vorbildlich ist für den Umgang mit der Geldnot der Theater“, sagte Roloff-Momins Sprecher Rainer Klemke. Näheres war allerdings gestern in ganz Berlin nicht zu hören. Die Konstruktion wackelt noch ein wenig; und am kommenden Dienstag muß erst einmal der Senat darüber brüten.

Der künftige Bremer Intendant Pierwoß allerdings vollendete gestern schon einmal eine Tatsache und gab bekannt, daß er in der Frage der Kresnik- Nachfolge mit einer der bedeutendsten deutschen Choreographinnen handeleins geworden sei: Susanne Linke wird mit ihrem Kompagnon Urs Dietrich ab der nächsten Spielzeit in Bremen die Sparte Tanztheater übernehmen. Pierwoß kommt mit dieser schnellen Entscheidung vor allem den bremischen Debattanten zuvor, die die Wirren um Kresniks Weggang genützt haben, um am hiesigen Tanztheater in grundsätzlicher Absicht herumzuzündeln.

Susanne Linke, geboren 1944, hat noch bei der damals 80jährigen Mary Wigman persönlich gelernt. Weil die Großmeisterin des Ausdruckstanzes von Technik nicht allzuviel hielt, ging Susanne Linke nachher zu Kurt Jooss ans Essener Folkwang- Studio. Dort blieb sie als Tänzerin; und 1975 schließlich übernahm sie, übrigens zusammen mit Reinhild Hoffmann, die Leitung des Studios.

Anders als Reinhild Hoffmann, die 1978 ans Bremer Theater ging, behielt sie die Oberhoheit über den wimmelnden Folkwang-Betrieb. Nebenher ging sie häufig auf Tournee, meist ins Ausland. Und 1977 fing sie noch einmal eine neue Karriere an: als Solotänzerin. 1985 gab sie die Leitung des Studios ab; sie arbeitet dort aber immer noch als Choreographin.

In Susanne Schlichers Standardwerk „Tanztheater“ heißt es über Susanne Linke: „Realismus und Konkretheit von Kurt Jooss' Tanztheater und seiner schon wieder formalisierten tänzerischen Ausdruckssprache treffen in ihren Choreographien auf die eher intuitiv-emotionale Leidenschaftlichkeit und freie Bewegungssprache der Solistinnen des Ausdruckstanzes“. Wohl wird, was immer Susanne Linke in Bremen macht, uns nach dem theatralischen Rabauken Kresnik wieder ganz schön tänzerisch vorkommen. schak

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