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Juristisch korrekter Rassismus

■ Eine schwarze Jurastudentin wird an der Freien Universität regelmäßig schlechter bewertet, wenn sie ihren fremd klingenden Namen auf die Hausarbeiten schreibt

Bestehen oder nicht bestehen – für Angela Mashinini ist das keine Frage. Die Afro-Deutsche, die Thüringer Dialekt spricht, gibt mit schöner Regelmäßigkeit ihre juristischen Hausarbeiten in zweifacher Ausfertigung ab. Einmal mit ihrem richtigen Namen, einmal mit einem erfundenen deutschen. Das Ergebnis: Als Frau Mashinini fällt Angela durch, als Phillip André oder Kerstin Ortleb besteht sie. „Wenn das so weitergeht“, sagt die 31jährige Juastudentin an der Freien Universität (FU), „habe ich an dieser Uni keine Zukunft.“

Angela ist eine schwarze Deutsche. Ihr Vater stammt aus Somalia, ihre Mutter aus dem thüringischen Hermsdorf, wo Angela auch geboren wurde. Vor zwei Jahren begann sie ihr Jurastudium an der FU. Auf den Tick mit den Hausarbeiten kam sie per Zufall. Ein Kommilitone fragte sie letztes Wintersemester, ob sie denn die Hausarbeit im Öffentlichen Recht schon geschrieben habe. Er sei da in Schwierigkeiten. Angela lieh ihm die Arbeit, der gute Mann ließ sich inspirieren – und bestand. Aber Angela fiel durch. Sie verglich die Arbeiten und stellte fest: der Kommilitone hatte ihren Text schlicht abgekupfert.

Angela war konsterniert und fragte sich, ob die unterschiedlichen Noten auf den üblichen Spielraum bei der Bewertung der Arbeiten zurückzuführen seien. Jura ist ein Massenfach, in den Veranstaltungen zu wichtigen Rechtsgebieten sitzen oft mehr als 300 TeilnehmerInnen. Klausuren und Hausarbeiten werden nicht mehr vom Professor selbst korrigiert, sondern von Korrekturassistenten, wie Jens Poll, Mitarbeiter eines Zivilrecht-Lehrstuhls erklärt.

Bei der nächsten Hausarbeit, ein Zivilrechtsfall, gab Angela erneut mehrere Exemplare der gleichen Arbeit ab: Drei identische Texte von Angela Mashinini, Kerstin Ortleb und Holger Dirkmann kamen in die Hände der Korrektoren. Das Ergebnis war das gleiche: Als Frau Mashinini fiel Angela durch, Herr Dirkmann bestand. Angela selbst sei geschockt gewesen, sagt sie. Ihre Beschwerde bei Professor Georg Thielmann war zwar erfolgreich. Er akzeptierte, daß die Arbeit „Holger Dirkmann“ von Angela stammte, und gewährte ihr den Schein. Aber für die somalisch-thüringische Frau war klar: Ihr Name bringt ihr keine Vorteile bei Klausuren. Schon in der DDR hatte sie universitären Rassismus kennengelernt. Und auch an der FU geht man nicht sehr sensibel mit dem Problem der 31jährigen um: Beim Präsidialamt habe man sie zweimal abgewimmelt. Zuständig sei der Dekan des Fachbereichs. Doch auch Dieter Giesen hat sich mit dem Thema noch nicht befaßt. Er meint, die jeweiligen Professoren seien zuständig. Für die taz fand er keine Zeit, um über den Fall zu sprechen.

Dabei gibt es inzwischen zwei Fortsetzungen. Bei einer Zivilrechts-Klausur bekam die Jurastudentin Mashinini sechs Punkte weniger als eine Kommilitonin, die in ihrer Arbeit identisch argumentierte wie Angela. Die beiden hatten sich gemeinsam vorbereitet. Und bei einer Wiederholungsklausur Öffentliches Recht bestand Angela gleich zweimal. Freilich wurden die Argumente, die sie unter dem Pseudonym „Phillip André“ niedergeschrieben hatte, klar besser bewertet als ihre – identischen – Gedanken: „Fehlerhaft“ war dort notiert; als Phillip bekam Angela Lob für die „systematische und klare“ Darstellung und zwei Punkte mehr.

„Ich weiß nicht, ob das nun Rassismus oder Sexismus ist“, seufzt Angela verärgert. Aber sie leidet zu oft unter dem offenen Rassismus, als daß ihr das egal sein könnte. „Man läuft ständig mit Angst herum“, meint sie. Ihre zehnjährige Tochter Masechaba träumt nachts von Skins, seitdem Passanten sie auf der Straße angriffen und schlugen. Ob juristisch einwandfreier oder offener Rassismus, das macht für Angela Mashinini keinen Unterschied. Sie macht sich Gedanken übers Auswandern. In Vancouver, Kanada, leben drei jüngere Brüder von ihr. Christian Füller

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