Museumsstück oder Kampf-Jet?

■ Spediteur verurteilt, weil er eine fluguntaugliche MIG transportierte Von Kai von Appen

Den letzten - oder eher den kleinsten - beißen die Hunde! Diese Erfahrung mußte Fuhrunternehmer Werner Diekelmann jetzt machen. Er hatte den Auftrag, eine Palette „per Transit“ aus dem Hamburger Freihafen zum Eurokai Bremerhaven zu transportieren. Erst am Schuppen bemerkte er, daß es sich bei der Fracht um ein zerlegtes Flugzeug handelte. Da die Papiere jedoch das Flugzeug korrekt als „MIG-Jet-Liner“ auswiesen, dachte er sich nichts Böses. Gestern wurde er vom Amtsgericht wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) zu 18.000 Mark Geldstrafe verurteilt.

Eine unglaubliche Geschichte: Am 27. August 1991 bekam zunächst die Hamburger Spedition Clemens Nachricht von ihrem tschechischen Geschäftspartner, daß die Firma im Hamburger Hafen ein „Flugzeug aus Museumsbeständen“ angeliefert habe, das am 28. August in Bremerhaven verschifft werden sollte. Clemens-Spediteur Klaus O. beauftragte eine Schiffsmaklerei, einen Platz auf dem anvisierten Frachter zu ordern, was Speditionskauffrau Annette L. auch brav tat. Gleichzeitig beauftragte sie den Disponenten Frank L. von der Bremerhavener Firma Kronschnabel mit dem „Transport der MIG 21“, doch die hatte kein Fahrzeug frei. Also wurde der Hamburger Speditionskaufmann Karlo P. beauftragt, das Flugzeug nach Bremerhaven zu transportieren. Doch auch seine Firma konnte den Auftrag mangels Lkw nicht erledigen. Und so bekam schließlich der selbständige Kraftfahrer Werner Diekelmann den Zuschlag, sich am besagten Schuppen einzufinden. Nach einigem Hin und Her wurden Diekelmann die Papiere in den Freihafen gefaxt, die Fahrt konnte beginnen. Der Zoll prüfte die Fracht ganz genau: „Als Flugzeug war das nicht mehr geeignet - höchstens für's Museum.“ Die Zöllner kamen zu dem Schluß, daß es gegen den Transport nichts einzuwenden gab und wünschten Diekelmann mit seiner zerlegten MIG 21 auf dem Tieflader gute Fahrt.

In Bremerhaven wurde die Fracht plötzlich auf den Hof der Firma Kronschnabel umdirigiert und von der Polizei beschlagnahmt. Verstoß gegen das KWKG! Ein Experte der Ex-Nationalen Volksarmee inspizierte das ihm wohlbekannte Objekt und konnte, wie er gestern sagte, nicht eindeutig feststellen, ob es sich tatsächlich um ein demilitarisiertes Museumsstück oder um einen flugtauglichen Kampfjet handelte. Schlauer das Wirtschaftsministerium: Es gab die MIG 21 zum Transport nach Georgia (USA) frei.

Während gegen die insgesamt zehn beteiligten Firmen die Ermittlungsverfahren eingestellt wurden, mußte Diekelmann gestern nun seinen Kopf hinhalten: „Ich fühle mich völlig unschuldig. MIG Jet-Liner? Ich wußte nicht, was das heißt. Ich bin der englischen Sprache nicht mächtig.“ Doch Staatsanwalt Behn kannte kein Erbarmen. Weil der Jet äußerlich intakt aussah, habe Diekelmann ihn nicht transportieren dürfen. Die Verteidigung dagegen: „Es ist ja gerade der Sinn eines Museumsstücks, daß äußerlich Instrumente vorhanden sind.“ Freispruch! Doch Richter Petzhold-Kirste: „Wer nicht weiß, was Jet-Liner heißt, darf solche Sachen gar nicht transportieren.“ Außerdem sei bereits der Transport einer „Turbine“ oder der „Zelle“ (Rumpf) nach dem KWKG verboten. Doch das hat nicht einmal der Zoll gewußt!