: Catch as catch can
■ Die IG-Metall „Küste“ steht im Vielfrontenkampf gegen Daimler-Benz und Lohnkürzungen Von Florian Marten
„Wenn gesunde Betriebe geschlachtet werden, wenn innergewerkschaftliche Grundregeln verletzt werden, dann gibt es Krieg, auch in der IG Metall“. Norddeutschlands wortgewaltiger IG-Metall-Boß Frank Teichmüller nahm am Dienstagabend beim Pressegespräch in der spruchtoleranten Kneipe „Alt-Berlin“ kein Blatt vor den Mund. Sein Rundschlag geriet streckenweise zur Fahrt durch ein Horrorkabinett: Weltkonzerne schlachten profitable Konzerntöchter, Arbeitgeber führen einen verteilungspolitischen Vernichtungsschlag gegen die Metaller-Lohntüte und Metallbetriebsräte verraten ihre Kollegen.
Der Reihe nach: Als Norddeutschlands Sozialdemokraten und IG-Metaller, allen voran Henning Voscherau und Hamburgs IGM-Chef Klaus Mehrens, ihr Ja zur größten Rüstungsfusion in der Geschichte der Bundesrepublik gaben und im Jahr 1989 gegen Bonner SPD-Bedenken die Elefantenhochzeit von Daimler-Benz und MBB absegneten, jubelte Voscherau stolz: „Wir haben allein auf der Ebene norddeutscher Struktur- und Beschäftigungsinteressen gehandelt.“
Jetzt werden die Früchte geerntet: Daimler-Benz zerschlägt aus strategischer Unfähigkeit, so Teichmüller, seine High-Tech-Elektronik-Schmiede in Wedel mit mehr als 1000 Arbeitsplätzen, die Daimler-Konzern-Enkelin Deutsche Airbus (DASA) erlebt eine Arbeitsplatzvernichtungswelle ungeahnten Ausmaßes. Gipfel ist die geplante Schließung des wirtschaftlich gesunden DASA-Werkes in Lemwerder (1.300 Arbeitsplätze). Diese Vorgänge bestätigen Teichmüller in seiner Auffassung, nicht hoher Lohn und kurze Arbeitszeit, sondern Managementfehler, Auftragslücken und Verteilungsattacken der Arbeitgeber kennzeichneten das aktuelle Standortproblem Deutschlands.
Die IG-Metall sei zur Umverteilung von Arbeit ohne Lohnausgleich, zu betrieblicher Flexibilisierung und der Beteiligung an jeder Art zukunftsgerichteter Industrie- und Arbeitsmarktpolitik bereit. Teichmüller: „Der Exportweltmeister Deutschland redet seine Standortvorteile systematisch kaputt. Japan zahlt heute höhere Löhne und geht seine Krise mit Nachfragestärkung und Zinssenkung an.“
Die IG-Metall Küste freilich kann sich ihre Regierung und ihre Arbeitgeber nicht aussuchen. Und so steht sie in einem Abwehrkampf unter dem Motto „Beschäftigungssicherung und Arbeitsplatzsicherung“ vor der Herausforderung, erstmals eine Tarifauseinandersetzung mit Lohnsenkungsforderungen von bis über 15 Prozent (Summe aus Verzicht auf Lohn, Urlaubsgeld und Urlaubstage) führen zu müssen. Um die Streikbereitschaft ist Teichmüller nicht bange. Aber: „Der Härtetest wird die Aussperrung sein. Wenn wir mit kalter Aussperrung und Angriffsaussperrung konfrontiert werden, bei denen die IG-Metall nicht zahlen kann, stehen unsere Mitglieder vor einer Zerreißprobe. Wir bereiten uns schon jetzt intensiv darauf vor.“
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