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...und die Großen läßt man suchen

Erstmals soll ein Konzernchef aus der italienischen Privatwirtschaft, Carlo De Benedetti, wegen Bestechung hinter Gitter / Noch allerdings haben die Ermittler den Mann nicht  ■ Aus Rom Werner Raith

Gerüchte kursierten bereits seit Mitte der Woche, am Samstag mittag war es dann wirklich soweit: Die römische Staatsanwaltschaft hat einen Haftbefehl gegen den Eigner und Generalmanager des Elektronikkonzerns Olivetti, Carlo De Benedetti, erlassen. Carabinieri, die den ehrerbietig L'ingegnere (Ingenieur) genannten Konzernchef in seinen verschiedenen Büros und Wohnsitzen suchten, vermochten ihn jedoch nicht ausfindig zu machen. Dem Vernehmen nach soll er per Flugzeug ins Ausland entschwunden sein, sein Anwalt hat angekündigt, daß er sich am Dienstag den Behörden stellen wird.

Grund für den Haftbefehl sind Aussagen bereits festgenommener Beamter des Postministeriums, die zugaben, Bestechungsgeld von Unternehmen aus De Benedettis Reich angenommen zu haben.

Der Elektronik-Herrscher hatte derlei freilich bereits selbst öffentlich kundgetan. Als sich die AntiKorruptions-Untersuchung Mani pulite (saubere Hände) aus Mailand immer höheren Etagen der italienischen Industrie und Hochfinanz näherte, trat er vor die Kameras, legte eine Liste der von seinem Haus getätigten Bestechungen vor und übernahm für alles die Verantwortung.

Im Gegensatz zu Fiat-Eigner Agnelli, der sich als Gottkönig sowieso außerhalb jeder Straffähigkeit sieht, und seinem Generalmanager Cesare Romiti, der „Italien um Verzeihung für die verirrten Schafe unseres Unternehmens“ bat, hat De Benedetti seinen Untergebenen keinerlei Schuld zugewiesen. Die Mailänder Staatsanwälte waren darob so beeindruckt, daß sie De Benedetti seinerzeit nur einen Ermittlungsbescheid zuschickten, ihn aber von jeglichem Haftbefehl verschonten.

Die römischen Ermittler aber, die ihn nun doch einlochen wollen, sind da offenbar anderer Ansicht. Sie glauben, daß die Schuldübernahme De Benedettis ein Manöver zur Verdunkelung war, zumindest aber ein wertvoller Zeitgewinn für den Olivetti-Konzern, seine Akten „in Ordnung“ zu bringen. Zudem, auch das mag mitspielen, trauen viele Strafverfolger dem Benedetti-Frieden sowieso nicht. Schon vor zwei Jahren war der Olivetti-Mann beim Prozeß um den betrügerischen Bankrott der Mailänder Banco ambrosiano von 1982 (De Benedetti war dort einige Monate im Vorstand) in erster Instanz zu über sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seither vermuten Staatsanwälte, der Mann packe langsam, aber sicher seine Koffer, um vor einer möglichen Bestätigung in den oberen Instanzen das Weite zu suchen.

Der 59jährige De Benedetti ist Herr über ein Imperium, das schon recht nahe an das größte Familienunternehmen Europas, den Fiat- Konzern, heranreicht. Zu Olivetti gehören High-Tech-, Elektronik- und Informatikfirmen. De Benedetti besitzt zahlreiche Finanzinstitute und die Mehrheit an der Espresso-AG, in der eine der größten Tageszeitungen, La Repubblica, und das Politmagazin L'Espresso erscheinen. Seine Firmen sind verzahnt mit Volkswagen und ITT.

Unabhängig davon, wie die Börse die Nachricht aufnehmen wird, trifft der Haftbefehl Olivetti in einem äußerst delikaten Moment. Schon seit zwei Jahren muß De Benedetti ein Werk nach dem anderen verkleinern, einige davon gar schließen; die Wirtschaftskrise hat auch die Elektronik erfaßt. Mehr als 10.000 von 40.000 Arbeitern und Angestellten hat er bereits in die Cassa integrazione geschickt, die zeitlich befristete staatliche Arbeitslosenhilfe. 5.000 Stellen muß er außerdem noch abbauen. Einen Teil davon hat er dem Staat aufgeschwazt — Computerfachleute sollen in die tatsächlich darin eher schwachen Büros der Finanzverwaltung und andere Administrationen umgesiedelt werden.

Auch von imagebildenden Medien mußte er sich schon trennen, so etwa von der Nuova ecologia, die seinem Trust mit ihren Umweltkontrollen große Sympathien auch in der Linken und bei den Grünen verschafft hatte.

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