: Sponsorenpower fürs Theater
■ Das Junge Theater testet die „West“: Ein notgedrungenes Überlebenstraining für die Künste jenseits von ABM und Trüpels Töpfen
Ein Jahresvertrag mit „West“, der die halbe Miete sichert: Was das rührige Junge Theater jetzt an Land zog, ist der Traum manch gebeutelter Künstlergruppe und der Alptraum der letzten Puristen. Jetzt, wo die Bremer ABM-Hilfskonstruktionen weitgehend zusammengebrochen sind und die Kulturbehörde tapfer ihre Töpfe zusammenhält — da scheint es plötzlich nicht mehr gar so verwerflich, mit potenten Privatfirmen anzubandeln.
Das Junge Theater wird derzeit als Paradebeispiel in Sachen Sponsoring herumgereicht. „Junges Theater ...Powered By West“ — so wird es vermutlich im nächsten Jahr auf allen Plakaten zu lesen stehen. Und das ist längst nicht alles: Neben dem Tabakdeal kratzt das Theater mit kleinen und kleinsten Sponsoring-Aktionen den Rest seiner Miete zusammen.
„Es ist einfach effektiver für mich, mit Sponsoren was auszuhandeln als mit Behörden — da telefoniert man sich manchmal zu Tode“, sagt Lutz Gajewski. „Bei der Kulturbehörde muß man immer stapelweise begründen und beschreiben, wie das Stück genau hinterher aussehen soll, und dann muß es immer gleich innovativ sein.“ Da sind die jungen Theatermacher von der Firma „West“ anderes gewöhnt. Dort genügte, so wird es erzählt, ein Anruf in der richtigen Marketing-Abteilung, und am nächsten Tag kam die Zusage über 5000 Mark Produktionszuschuß.
Der Preis dafür: ein „West“- Werbespot in Fassbinders „Anarchie in Bayern“, ganz nach dem Strickmuster der Kinowerbung. „Die Leute haben drüber gelacht“, sagt Carsten Werner, „und wer Bescheid wußte, hat sich drüber gefreut, daß wir auch noch Geld dafür kriegen.“ Manche Firmen hätten da ganz andere Wünsche vorgebracht: Bei Coca Cola wollte man garantiert haben, „daß nur junge, sportlich- dynamische Menschen in der Werbung vorkommen, die Cola trinken“. Und: Kein Besucher dürfe auf die Idee kommen, über die Werbeaktion zu lachen. Saturn-Hansa hingegen hätte es gern gesehen, wenn die Dialoge mehr auf bestimmte Produktnamen abgestimmt wären. Da ließ selbst das hartgesottene Ensemble des Jungen Theaters die Sponsorenkohle links liegen.
Seit anderthalb Jahren läuft die kleine Nachwuchsbühne der staatlichen Förderung Jahren hinterher. Die erhoffte Anschubhilfe vom Kulturressort aber blieb aus. Eine Lichtanlage im neuen Theaterhaus in der Friesenstraße, und Projektförderung für zwei Stücke im Jahr — das langt kaum, um die ehrgeizigen Pläne des Theaters dauerhaft zu unterstützen. Seither hat die Gruppe es zu einiger Meisterschaft beim Angraben von kleinen und größeren Sponsoren gebracht. „Meistens klappt irgendwas“, sagt Gajewski.
Wie der Umbau des Theaters, den ein beherzter Maurermeister aus dem Viertel großteils und eigenhändig besorgte — gegen Spendenquittungen und eine lobende Erwähnung im Programmheft. Notfalls helfen Kleinanzeigen in der Zeitung, in denen „Liebe Mitbürger“ zu Sachspenden aufgerufen werden, bis hin zu ganzen Pianos: „Da hatten wir auf einmal sechs Klaviere und drei Heimorgeln zur Auswahl“.
Zu den Verkaufserfolgen des Hauses zählt inzwischen ein Stück, das kaum mehr im Theater selbst zu sehen ist. Um auch das mittlere Gewerbe als Sponsoren zu gewinnen, bietet das
Wie man badet in wenig Geld: „Emigranten“ im Jungen TheaterHoppens
Junge Theater sein „Konzert im Ei“ als Exportartikel an: Kurze, ausgewählte Szenen in malerischen Kostümen werden in Autohäusern, Fertighausfirmen und auf Handwerksmessen gespielt, als verkaufsflankierende Maßnahme gewissermaßen. „Wir sind da wirklich auf eine Marktlücke gestoßen“, sagt Gajewski. „Andere würden da wieder sagen: Ihr verkauft Euch doch bloß“. Aber solange eben keine Produktnamen ins Stück
hierhin bitte den
Mann in der
Badewanne
eingebaut werden müssen, finden die Theaterleute das in Ordnung. Und wenn sie dann stundenweise im „Weserpark“ agieren, umschwärmt von kulturlosen Konsumentenscharen, träumt Gajewski sogar davon, „diese ganzen, verknitterten Leute da aufzurütteln“.
Auch der neuerliche „West“- Deal wird die Schauspieler nicht vor derlei mühseliger Kleinarbeit verschonen. Zumal die Konditionen für das Jahressponsoring noch nicht ganz geklärt scheinen. Carsten Werner geht davon aus, daß es mit dem „West“-Logo auf Plakaten und Programmheften getan ist; außerdem müßten wohl die alten „Camel“-Aschenbecher im Foyer verschwinden. Die „West“-Reklamedame Claudia Schnoor hingegen überlegt schon mal, „wie man die Marke West ins Theater integrieren kann“. Gut gefällt ihr z.B. das Modell „Titelsponsoring“, wie beim jüngst eröffneten „West- End-Theater“ in Köln.
Mit Leib und Leben aber will sich auch das Junge Theater nicht den Sponsoren verschreiben. „Jeder Sponsor kann im Nullkommanichts wieder aus solchen Verträgen raus“, sagt Werner; „sich darauf zu verlassen, ist genauso fatal, wie sich ganz auf die ABM-Kiste einzulassen.“ Und eine Entlastung für die staatliche Förderung sieht er auch nicht — „kein Sponsor bezahlt uns feste Stellen.“ tom
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