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Unterm Strich

Ob das den zukünftigen Viertage-WöchnerInnen bei VW gefällt? Wenn die Freizeit schon nicht schrumpft, soll sie zumindest mehr geschröpft werden. Bislang trieb die Vergnügungssteuer vor allem die Preise für blauen Dunst und kühles Blondes in die Höhe, nun haben die Regierungen der neuen Bundesländer, aber auch Städte und Gemeinden vorgeschlagen, daß zusätzlich im Dunkel der Kinosäle für das filmische Vergnügen ein Obolus zum Aufschwung Ost entrichtet werde. Dagegen wird nicht nur gemunkelt, sondern von höchster Stelle gemurrt: Der Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt sieht in den Besteuerungsplänen lediglich den Versuch, die seit Jahren abgeschafften ollen Kamellen aus den alten Bundesländern wieder aufzuwärmen und äußerte seine große Sorge über eine solche „kulturell und wirtschaftlich völlig verfehlte Initiative“, die angesichts der momentanen Lage der Filmtheater im Osten jedem Unterstützungswillen diametral zuwiderläuft. Statt dessen appelliert die Bundesanstalt, die Filmtheater lieber mehr zu fördern und will Städte und Gemeinden bei der Verbesserung der Infrastruktur unterstützen. So ist das eben in der freien Marktwirtschaft – It's mere fun to consume.

Schlimmer scheint es allerdings das Bulgarische Kulturinstitut in Berlin erwischt zu haben. Die bulgarische Regierung ist mit ihren Kulturfinanzen am Ende und erwägt die Schließung des Hauses an der Leipziger Straße 114, jener oft zugestauten Verkehrszunge zwischen Alexander- und Potsdamer Platz. Ausstellungen waren dort schon seit längerem nicht mehr zu sehen, nur ein paar Holzschnitzereien und Ikonen zierten die Schaufenster. Nun will sich der Kulturausschuß im Berliner Abgeordnetenhaus des allmählichen Verfalls annehmen. Der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Uwe Lehmann- Brauns, forderte eine stärkere „Europäisierung“ der Berliner Kultur durch Künstleraustausch mit Osteuropa. Die anderen Fraktionen befanden das zwar ebenfalls für wünschenswert, sahen aber innerhalb des Kulturhaushalts keinen Spielraum mehr.

Der evangelische Wohlfahrtsverband dagegen kann sich glücklich schätzen, daß nach dreijähriger Um- und Neubaupause am Montag in Berlin das Haus der Diakonie wieder eingeweiht werden konnte. Während die kirchliche Verwaltung zusammen mit Berlins Regierendem Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), der brandenburgischen Arbeitsministerin Regine Hildebrandt (SPD) und Bischof Martin Kruse die Wiedereröffnung des für 16,3 Millionen Mark renovierten Gebäudes feierten, wurden die Festivitäten durch Proteste von Berliner Wohnungslosen und Wohnungsloseninitiativen der Diakonie begleitet. Die Obdachlosen portestierten gegen die Abwicklung aller neuen Wohnungslosenprojekte der Diakonie im Berliner Stadtgebiet.

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