■ 5.000.000 tote Borstenviecher?: In Stall und Wald die Schweinepest
Hannover (taz) – „Ausmerzen, sperren, die Bauern entschädigen. Nur das geht jetzt noch“, meint der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Hannover. 1973, 1983 und jetzt 1993 – alle zehn Jahre grassiert in Niedersachsen die Schweinepest. 10.000 Borstenviecher aus infizierten Beständen hat man bereits „gekeult“, sprich notgeschlachtet, und zu „Tiermehl“ verarbeitet. Fünf Millionen niedersächsische Schweine dürfen gegenwärtig ihren Landkreis weder tot noch lebendig verlassen. Gesperrt für Schweinelieferungen sind zwar gegenwärtig auch Lankreise in Mecklenburg, Baden-Würtemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz. In Niedersachsen ist das Weser- Ems-Gebiet betroffen, die europäische Hochburg von Speck und Schinken, in deren Ställen sich allein vier Millionen Tiere drängen.
Nur 30 bis 40 Tage dauert es heutzutage, bis ein Mastschwein fett genug ist. „Die Mast- und auch Zuchtbetriebe platzen bereits aus allen Nähten“, sagt denn auch Ministeriumssprecher Hanns-Dieter Rosinke. Was sonst als Lebendschwein weiterverkauft wird oder auch als Schinken nach Italien geht, um dort sich in „Parma“ zu verwandeln, muß nun vor Ort verwurstet werden. „In ein paar Tagen kommen die Schlachter nicht mehr nach, und bald gibt es in den zehn betroffenen Landkreisen keinen Quadratzentimeter mehr Platz zur Lagerung von Schweinefleisch.“
Im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium macht man die EG für den Fleischstau verantwortlich. Die hat eine Impfaktion gegen die Schweinepest untersagt, weil in seltenen Fällen der Erreger auch durch ältere geimpfte Tiere weiterverbreitet werden kann. Die Inkubationszeit bei der Schweinepest beträgt drei Wochen. Auch wenn sich die Krankheit nicht auf weitere Bestände ausbreitet, haben sich die niedersächsischen Fleischproduzenten noch auf vierzehn Tage „Schweineausfuhrsperre“ einzustellen. Die Borstenviehpest grassiert gegenwärtig allerdings auch unter den wilden Artgenossen der Hausschweine. „Da muß nur einmal ein Bauer im Wald in Wildschweinkot hineintreten und anschließend in den Stall gehen“, prophezeit der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, „schon bricht die Seuche wieder aus.“ ü.o.
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