: Altbierbowle oder Margarita
■ Ein kleiner Streifzug beweist: Es tut sich was in der Kieler Gastro-Szene / Angebot und Ambiente verabschieden sich von der urigen Studentenkneipe
Es ist müßig, sich über die Provinzialität von gewissen Orten auszulassen. Sicherlich gehört immer noch die Autobahn nach Hamburg zu den Hauptattraktionen von Kiel, trotzdem hat sich auch in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt in den letzten Jahren etwas getan.
Zum Beispiel in der Gastroszene. Es gibt sie zwar immer noch, die sogenannt urigen Studentenkneipen wie etwa Heinrich der VIII., in denen für weniger als 10 Mark Pizza verkauft wird. Und sie sind immer noch im 70-Jahre-Holzbankdekor gehalten.
Dafür hat es eine andere Institution im Kieler StudentInnen-Milieu erwischt: Das Error in der Holtenauer Straße - ein Ort, an dem es den ganzen Tag möglich war zu frühstücken. Hier wurde unlängst ein mexikanisches Restaurant namens Santa Fe eröffnet. In einem Ambiente, das leider ein wenig an amerikanische Schnellrestaurants erinnert, gibt es mexikanisches Einerlei zu goutieren: Chicken-wings, Tacos und hervorragende Margaritas.
Gewöhnungsbedürftig ist auch das Interieur in der ebenfalls erst kürzlich eröffneten Bar Centrale (ebenfalls in der Holtenauer Straße). Video-Monitore treffen auf herausgehauenen Putz, phallische Wandleuchter und grelle Deckenbemalung. Dafür sind auf der Getränkekarte seltenere Malt-Whiskys zu moderaten Preisen verzeichnet. Empfehlenswert ist das Frühstück.
Über eine weit gelungenere Innenausstattung verfügt das Grimm in der Dahlmannstraße. Fern von postmodernem Einheitsbrei oder billiger Effekthascherei haben sich die Macher des kleinen Restaurants ein dezent modernistisches Interieur erdacht, bei dem eine künstlerisch gestaltete Wand den Blickfang bildet.
Auch die Küche zeigt sich ambitioniert. Die Lachslasagne von der wechselnden Wochenkarte als Vorspeise hat sich als Volltreffer erwiesen. Die Käsespätzle indes waren ein wenig enttäuschend. Als Hauptgericht konnten die mit Parmaschinken, Parmesan und Salbei gefüllten Kalbsrouladen vollends überzeugen. Eine interessante Variation des alten Themas Saltimbocca ,a la Romana, bei der der Salbeigeschmack durch die längere Garzeit hervorragend mit den sonstigen Ingredienzen harmoniert, ohne penetrant zu wirken. Sehr zart und nicht zu matschig die Gambas mit Kräuter-Knoblauch-Sauce, die mit üppigen Salatbeilagen gereicht werden.
Ebenso wie die Speisekarte überzeugt die Weinkarte durch Beschränkung. Nur wenige, dafür gut ausgesuchte Weine im mittleren Preissegment (etwa ein badischer Grauburgunder für 30 Mark) erleichtern die Auswahl.
Das Grimm versteht sich nicht dogmatisch als Restaurant. Es ist durchaus möglich, am Tage nur auf einen Cappuccino oder abends auf ein Glas Wein vorbeizukommen. Im Sommer ist die von einem Ahornbaum beschattete Terrasse des Restaurants eine nette Alternative zu den bekannten Gartenlokalen der Fördemetropole.
Resümee: Solche erfreulichen Novitäten in der Kieler Gastro-Szene lassen die Attraktivität der Autobahn nach Hamburg langsam schwinden.
kader
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