NS-Bewältigung meterweise

SPD und CDU wollen die Steglitzer „Spiegelwand“ jetzt in einer verstümmelten und um vier Meter verkürzten Version durchsetzen  ■ Von Horst Seferens

Wieviel Denkmal darf's denn sein? Auf diese banale Frage hat sich der seit fast einem Jahr schwelende Zank um das geplante „Denkzeichen“ auf dem neugestalteten Hermann-Ehlers-Platz in Steglitz zugespitzt. Das Denkmal, das an die von den Nazis ermordeten Juden des Bezirks erinnern soll, ist manchem ein Dorn im Auge, auch der örtlichen CDU, die durch die REP-Fraktion in der BVV von rechts in Bedrängnis geraten ist.

Nachdem die Steglitzer CDU zunächst mit einer unfeinen Kampagne („ungezügelte Gedenkstättenhysterie“) die in einem ordentlichen Wettbewerbsverfahren gekürte „Spiegelwand“ von Joachim Göschel und Joachim von Rosenberg zu verhindern suchte, hat sie jetzt mit der SPD im stillen Kämmerlein einen Kompromiß vereinbart. Statt elf Meter, wie von den Künstlern vorgesehen, wird der Edelstahlskulptur, auf der Deportationslisten und andere Dokumente zu sehen sein werden, nur eine Länge von sieben Metern zugestanden.

Vor den Kopf gestoßen fühlten sich die Mitglieder einer Arbeitsgruppe, als in der vorletzten Sitzung die beiden Stadträte Härtel (SPD) und Rögner-Franke (CDU) aufmarschierten, um die von ihnen ausgekungelte Light-Version der Spiegelwand zu präsentieren. Die beiden großen BVV-Fraktionen, SPD und CDU, scheinen fest entschlossen, den faulen Kompromiß durchzuboxen. So hat SPD-Stadtrat Thomas Härtel die Leiterin des Steglitzer Kunstamtes, Sabine Weißler, die stimmberechtigtes Mitglied der Arbeitsgruppe ist, per Dienstanweisung dazu verdonnert, gegen ihre eigene Überzeugung für den Klüngel-Kompromiß zu stimmen. Die Mehrheit des siebenköpfigen Gremiums will sich aber der „Arroganz der Macht“ – so ein Teilnehmer – nicht beugen und in ihrer BVV-Vorlage für die Long-Version plädieren.

Neben der Dimension des Denkmals ist nach wie vor der für die Künstler unverzichtbare Gegenwartsbezug strittig. Ein Text des jüdischen Schriftstellers Chaim Schneider über die emotionale Befindlichkeit eines Juden im Deutschland der brennenden Asylbewerberheime war für die CDU untragbar. Ein von der Arbeitsgruppe favorisierter Text von Bundespräsident Richard von Weizsäcker ist für die Künstler nicht akzeptabel: Dort wird, schön ausgewogen, vor „rechtem und linkem Extremismus“ gewarnt. Weizsäcker tat diese Äußerung 1982 als Regierender Bürgermeister von Berlin vor dem Hintergrund der von seinem Innensenator Lummer mit harter Hand durchgeführten Räumung besetzter Häuser.

Die Künstler haben ihrerseits eine Interview-Äußerung von Ignatz Bubis zum Fuldaer Rechtsextremisten-Aufmarsch vorgeschlagen. Da mochte zwar niemand direkt widersprechen, aber als ernsthafte Alternative wurde der Text gar nicht erst diskutiert.

Falls ihre Konzeption in den Mühlen des parteipolitischen Klüngels zerrieben wird, drohen Göschel und Rosenberg damit, das Projekt scheitern zu lassen. Ihre Schmerzgrenze liegt bei neun Metern, und zwar aus Gründen der inneren Stimmigkeit des Denkmals. Nur so, argumentieren sie, können die Deportationslisten als authentische Dokumente des bürokratischen Massenmordes zum Sprechen gebracht werden.

Genau an diesem Punkt aber wollen die konservativen Kritiker die Geschichte umschreiben: Die Zeugnisse des Holocaust sollen reduziert und von der positiven Botschaft jüdischen Lebens in Steglitz vor 1933 relativiert werden. Nach der neuesten Idee aus den Reihen der CDU soll auch ein Bild des stets fröhlichen Hans Rosenthal, der zwischenzeitlich mal in Steglitz wohnte, auf der Spiegelwand erscheinen. Eine solche Geschichtsklitterung, beteuerte SPD-Stadtrat Härtel, werde seine Partei auf keinen Fall mittragen.