: Koalo-Verhandlungen auf der Kippe
■ Vertragsentwürfe von SPD und GAL würzten das Wochenende / Beide Seiten wollen weiterverhandeln / SPD-Krise spitzt sich zu Von Florian Marten
Faxgeräte und Kopierer brachten am Wochenende Bewegung in die festgefahrenen rot-grünen Koalitionsverhandlungen. Nachdem am Samstag zunächst die SPD mit dem 20seitigen Entwurf eines Koalitionsvertrages der GAL die Regierungsehe, so Voscherau, „förmlich“ angetragen hat, um die „ins Stocken geratenen Verhandlungen zu öffnen“, konterte die GAL am Sonntagnachmittag mit einem Vertragsentwurf, den GAL-Chefin Krista Sager als „weitreichendes Angebot“ verstanden wissen will.
Grundlegender Dissens besteht nach wie vor bei den Punkten Hafenerweiterung, vierte Elbtunnelröhre und Hafenstraße (siehe nächste Seite). Während die GAL das SPD-Papier als bislang „völlig unzureichend“ zurückwies, steht eine SPD-Antwort auf den GAL-Entwurf noch aus - SPD-Chef Frahm versprach sie für heute.
Die SPD hatte ihren Vorstoß erst nach heftigem Streit zustandegebracht. Während eine wachsende Zahl von SPD-Mitgliedern und SPD-Parteigliederungen die Information der Basis und einen Sonderparteitag fordert, torpediert eine Funktionärs-Minderheit um Günter Elste ganz offen jedweden Fortgang der Verhandlungen. Zum Entsetzen von Elste und seiner Wandsbek-Connection haben Voscherau und Innensenator Werner Hackmann inzwischen jedoch einen klaren Kurs Richtung Rot-Grün eingeschlagen.
Einziges, gleichwohl fundamentales Problem: Voscherau und Hackmann fühlen sich politisch wie sachlich dermaßen in der Falle, daß sie eine Koalition nur bei Erfüllung aller ihrer persönlichen Essentials eingehen wollen. Voscherau: „Wir können Abstriche von unserem Programm machen. Aber: Kompromisse mit der Wirklichkeit kann es nicht geben.“ Was die Wirklichkeit ist, bestimmen freilich er und Hackmann. Dennoch glaubt Voscherau, der GAL bereits „erhebliche Zugeständnisse“ gemacht zu haben, nämlich:
-die Ausstiegsoption Brunsbüttel im Jahr 1999 oder 2002, ein, so Voscherau „Hamburger Sonderweg ohne Klamauk in Richtung realer Ausstieg“,
-den Ausbau der Müllverbrennung von einem Gutachten abhängig zu machen,
-Annäherungen an GAL-Positionen in der Stadtentwicklung,
-Herausnahme einiger Randflächen von Moorburg und Francop aus dem Gebiet der Hafenplanung,
-das Angebot, die Räumung der Hafenstraße von einer Abstimmung in der Bürgerschaft abhängig zu machen, bei der er allerdings mit „einer Mehrheit für meine Linie“, sprich: Räumung, rechnet.
Als unverzichtbare Essentials sieht Voscherau den Bau der vierten Elbtunnelröhre und den Sofortvollzug der Hafenerweiterung in Altenwerder, auch wenn die Gerichtsverfahren der Bürger in Altenwerder gegen ihre Räumung noch nicht abgeschlossen sind.
Allerdings, so betonten Voscherau und SPD-Parteichef Frahm unisono: „Die Tür ist nicht zugeschlagen. Wir werden das Angebot der GAL prüfen.“ Auch Krista Sager will weiterverhandeln, nannte aber als Bedingung weitere Zugeständnisse der SPD. Die GAL dürfe nicht als bloßer „Mehrheitsbeschaffer“ mißbraucht werden. Das SPD-Vorhaben einer schnellen Räumung Altenwerders sei, so Sager, „eine Bürgerkriegserklärung an Altenwerder“. Die GAL bestehe hier auf einem rechtsstaatlichen Weg. Auch sie habe das Recht, „Schaden von Hamburg abzuwenden“ und sich dagegen zu wehren, daß ein Senat „die Zukunft der Stadt verspielt“.
Eine 200köpfige grüne Mitgliederversammlung hatte bereits am Samstag ihrer Verhandlungskommission den Rücken gestärkt. Die Kommission habe „gut gearbeitet“, in der Öffentlichkeit stehe man jetzt „prima da“. Einzelne Kritiker der Verhandlungsführung (Aram Ockert, Thomas Dittberner) fanden kaum Anklang. Der Kurs, die SPD durch weitreichende Kompromisse unter Druck zu setzen, wird fortgesetzt. Die Resignation allerdings wächst. Unterhändler Thomas Littmann: „Die Beweglichkeit der SPD geht gegen Null. Wir mußten feststellen, daß sie ein nur begrenzt lernfähiges Subjekt darstellt.“ Selbst Oberrealissimo Jo Müller kann es nicht fassen: „Die SPD nimmt uns unsere Existenz übel. Sie weigert sich, uns und die Probleme dieser Welt zu akzeptieren. So schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt.“
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