Jugend, Theater etc.
: Keineswegs leichter Tobak

■ Nach lange währenden Subventionsquerelen verabschiedet sich das höchst erfolgreiche Hamburger Jugendtheater auf der Kulturfabrik Kampnagel

Als Jürgen Zielinski 1991 die Stelle des Projektleiters für ein Jugendtheater-Experiment in Hamburg annahm, da lagen vor ihm Aufgaben unüberschaubaren Ausmaßes. Nach dem inhaltlichen und finanziellen Konkurs des Klecks-Theaters wollte die Hamburger Kultursenatorin Christina Weiss von ihm bewiesen haben, daß man die Krise des Jugendtheaters inhaltlich wie kommerziell überwinden kann.

Man bewilligte den im Bundesdurchschnitt lächerlichen Etat von 1,4 Millionen Mark für das erste Jahr und siedelte das Jugendtheater auf der Kulturfabrik Kampnagel an. Hier fand Zielinski statt des versprochenen „spielfertigen Hauses“ eine leere Fabrikhalle ohne ausreichende Technik und Infrastruktur vor. Nach zweijähriger Bewährungsprobe sollte im Sommer 1993 über die Institutionalisierung des Jugentheaters auf Kampnagel (JAK) entschieden werden.

Am Ende dieser Frist hatte allein das Theater seine Professionalität bewiesen. Das zehnköpfige Team entwickelte in dieser Zeit eigenes Profil, obwohl sich die Existenzbedingungen noch rapide verschlechterten. Gleich zu Beginn der Projektzeit, Ende 1991, verursachte die Entdekkung eines Kampnagel-Defizits von 1 Million Mark existenzbedrohende Zusatzprobleme. Dann vergaß die Kulturbehörde bei den Haushaltsberatungen für 1993 den Etat des Jugendtheaters erst ganz, um daraufhin noch ein Gnadenbrot von 850.000 Mark bereitzustellen. Trotzdem begeisterte das JAK mit unbekümmerter Risikofreude und klar durchdachtem künstlerischen Konzept schnell Publikum wie Kritik. Schon mit ihrem dritten Stück, der genau recherchierten und in Szene gesetzten Skinhead-Trilogie „Abwege“, erregten sie Aufsehen weit über die Stadt hinaus. Einladungen zu diversen Festivals waren die Folge.

Dabei waren Zielinskis Inszenierungen keineswegs leichter Tobak. Doch absurde Farcen, bedrückende Umweltszenarien und klug beobachtete Beziehungsgeschichten überzeugten nicht nur das jugendliche Publikum. Wohl gerade wegen der unorthodoxen, schrägen, gleichfalls aber sehr politischen Weltsicht, die das JAK entwickelte, war es auch ein kommerzieller Erfolg.

Nach der peinlichen Etat- Posse von 1993 (im selben Jahr stieg der Kulturhaushalt in Hamburg immerhin um über zehn Prozent), ließ sich das JAK nur mit Versprechung auf einen gesunden 94er Etat sowie eine Abnabelung von der Kampnagelverwaltung zum Weitermachen bewegen. In den Haushaltsberatungen für 1994 wurden jedoch all diese Zusagen zu Makulatur. Nachdem die Senatorin es in der Hochkonjunktur versäumt hatte, das Jugentheater finanziell zu stabilisieren, war es ihr im Zeichen eines radikalen Sparhaushaltes erst recht nicht mehr möglich – obwohl sich die Bedeutung des JAK für Hamburg wie für die gesamte Jugendtheaterszene längst deutlich abgezeichnet hatte. Keine der Minimalforderungen des Theaters wurden erfüllt. Als dann Versprechungen der Senatorin, sich auf anderem Wege um mehr Geld zu bemühen, auch keine zufriedenstellenden Ergebnisse brachten, legte Zielinski Anfang Oktober die Theaterleitung nieder. Damit hat kulturpolitische Dummheit in Hamburg eine der wichtigsten Theaterneugründungen der letzten Jahre ruiniert. Till Briegleb