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König, Obrist etc.Reines, das es nicht mehr gibt

■ „Der zerbrochene Spiegel“ – Fünf Thesen zu einer Ausstellung, deren Schalheit ihr Markenzeichen ist

Wenn sich morgen in Hamburg Zdenek Felix, Kasper König und Hans-Ulrich Obrist auf einem Podium zusammenzusetzen, stellt sich die spannende Frage, was zu bereden wäre. Felix ist der Hausherr der Deichtorhallen, in denen die Ausstellung „Der zerbrochene Spiegel“ stattfindet, König und Obrist haben die Ausstellung konzipiert und gehängt. Das sieht nicht nach Streit aus.

Die Hamburger Ausstellung, die aus Wien kommt, ist ausschließlich mit Malerei bestückt und gilt allein deshalb als mittlere Sensation: Die achtziger Jahre brachten einen Paradigmenwechsel – verkürzt gesprochen – von der Malerei zur Skulptur, begleitet von einer verbreiterten Rezeption von Installationen und der Durchsetzung von Fotografie als gleichberechtigtem Sammlungsobjekt in europäischen Museen. Fünf Thesen zur Ausstellung:

1. Die Malerei war nie „weg“ und kehrt deshalb auch nicht zurück. Das Geschäft ist nur eine Zeitlang ziemlich einsam gewesen. Mit Robert Ryman, Edward Ruscha, Agnes Martin, Gerhard Richter und Sigmar Polke gibt es ein paar Referenzen, aber sie sind wie zufällig gestreut, und werden – wie die ganz leisen Arbeiten von Ryman, konterkariert durch den viel weniger subtilen Joseph Marioni – in Raumkombinationen relativiert. Sie erscheinen eher als Belege, daß diese Maler noch leben. Wenn die jüngeren Maler, die König und Obrist haufenweise zeigen, der Maßstab sind, sind die Meister schülerlos geblieben. Die Meister dienen ausschließlich dazu, die Autorität des Genres aufrechtzuerhalten.

2. Der Glanz des Banalen ruht im Schrein der Pop-art. Die Entdeckung der Alltags- und Industriekultur war eine Reaktion auf die Erhabenheitsphantasien der Nachkriegszeit. Aber die Autorität von Warhol und Lichtenstein entstammt einem raffinierten Spiel, dessen Grundregel ist: Die Malerei sei doch erhaben, auch wenn ihr Gegenstand nieder ist. „Der zerbrochene Spiegel“ rührt an diesen Punkt, den Gesellschaftsvertrag des Malers mit den Betrachtern seiner Werke. Künstler wie Luc Tuymans, René Daniäls und Maria Eichhorn versuchen zu suggerieren, man könne sich taktisch auf die Seite des Banalen schlagen, ohne an Autorität einzubüßen. Sie wollen uns sagen: Es gibt keinen Blumentopf mehr zu gewinnen. An Polke kann man sehen, daß auch ein Quälgeist nicht umhin kommt, sich das Material, aus dem die Malerei im besten Fall hervortritt, anzueignen; und wenn das nicht geht, sich ihm zu übereignen. Kein „Konzept“ kann das ersetzen.

3. Im Handstreich sind die klassischen Themen nicht zurückzugewinnen. Das Christusbild, das Selbstportrait, die Tiefe des Raums, der Eros: Gerade die Maler, die mit diesen Themen ironisch meinen jonglieren zu können, verschärfen den Blick auf die Ratlosigkeit jener armen Würstchen, die in einer großen Zeit der Krise ein Orchideenfach studiert haben (Malerei). Daß mindestens drei der Künstler Hakenkreuze gebrauchen, akzentiert den durchgängigen Hauch von falschem Alarm, der über der Ausstellung liegt.

4. Die Malerei ist kein eigenständiges Genre mehr. Nicht ohne Grund haben Polke, Kiefer und Richter (auf sehr verschiedenen Wegen) die Fotografie als Gegenstand, Hilfsmittel und Material in ihre Arbeit integriert. Was bringt ein malerischer Diskurs über „Identität“, wenn Cindy Shermans Arbeit nicht zum Vergleich herangezogen wird, und bei wem lernt man zur Zeit etwas Wesentliches über Farbe, wenn nicht bei Wolfgang Laib? Die Ausgrenzung von Fotografie und Installation ist nichts anderes als ein Versuch, mit etwas „Reinem“ zu locken – was nicht mehr existiert.

5. Ohne Fetisch geht es nicht. Der erste Raum der Ausstellung zeigt die Bedenklichkeit ihres Rests. Jim Shaw präsentiert dort seine „Thrift Store Paintings“, Bilder, die er bei Trödlern gekauft hat. Bilder von Aus: Jim Shaw, Thrift Store Paintings

Laien aus den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren: erotische Apokalypsen, Ankunft der Außerirdischen, stereotype Wunschportraits, eine feudale Szene am Bettrand, eine häusliche Szene mit Hund in gelblichem Ton. Malerei, sagt das Volk, ist für die großen Dinge, und wer eine Vision hat, versucht sich mit Öl und Pinsel. Eine vorübergehende Leidenschaft, deren Grenze (Was darf ich zeigen? Entflieht es, wenn das Bild mißlingt?) getestet wird. Selbstverständlich werden die Ergebnisse von Shaw als „kurios“ vorgezeigt, und doch ist das Motiv der Laien zu malen oft viel besser zu verstehen als die Motive der professionellen Maler, die sich mit ihrer zitierten Laienhaftigkeit einen dumpfen Spaß bereiten. Was ihnen, den vom Kunstbetrieb hofierten, großteils zu fehlen scheint, ist ein Rest von Fetischismus, ohne den jeglicher Bilderdienst vergeblich ist. Ulf Erdmann Ziegler

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