piwik no script img

Banken am Drücker im Stahl-Roulette

■ Der Klöckner-Aufsichtsrat will heute über Bremer Hütte entscheiden / Der Betriebsrat mobilisiert gegen Stillegung

Bremen (taz) – „Brutal“ und „unverschämt“ nennt der Betriebsratsvorsitzende der Bremer Klöckner-Hütte, Peter Sörgel, die Offerte eines Konsortiums unter Federführung der Thyssen-AG. Um die für das Überleben der Ruhr-Stahlbetriebe erforderliche Kapazitätsreduzierung auf dem Stahlmarkt zu erreichen, will Thyssen das Bremer Werk aufkaufen und bis auf das Kaltwalzwerk und die Verzinkungsanlage stillegen. Ein Großteil der 4.600 Arbeitsplätze würden damit vernichtet. Aus dem Montan-Vermögen der europäischen Stahlkonzerne, so Thyssen in seinem letter of intend, seien 400 Millionen Ecu (7- bis 800 Millionen Mark) als Stillegungsprämie verbindlich zugesagt.

Heute früh sind Hunderte von Bremer Klöckner-Arbeitern nach Duisburg zum Mutterkonzern gefahren, um dies zu verhindern. Denn dort will der Aufsichtsrat über die Zukunft der Bremer Hütte entscheiden. Neben dem Thyssen-Angebot liegt dort das „Bremer Interessentenmodell“ auf dem Tisch, ein mit dem Klöckner-Vorstand ausgearbeiteter Vertrag, der die Fortführung der Hütte unter Reduzierung des Klöckner-Anteils auf 24,9 Prozent vorsieht. Neue Kapitalgeber sollen einsteigen und die Bremer Hütte unter dem Namen „Nordstahl“ übernehmen. Neben diversen bremischen Firmen ist die holländische Arbed-Tochter Sidmar im Gespräch, die schon mit dem Bremer Werk kooperiert. Die Bremer Firmenleitung, die Belegschaftsvertreter und die bremischen Parteien stehen hinter dieser Lösung. Auch der Duisburger Vorstand schien sie zu favorisieren.

„Am Sonntag war die Welt noch in Ordnung“, erklärte der Betriebsratsvorsitzende Sörgel gestern. Am Montag abend aber wurde im Vorstand der Klöckner- Werke ein andrer Beschlußvorschlag für den Aufsichtsrat diskutiert: Vor einer Entscheidung über die Bremer Interessentenlösung sollte über das Thyssen-Angebot erneut verhandelt werden.

Hintergrund scheint ein erheblicher Druck der Deutschen Bank zu sein, bei der auch Thyssen und vor allem Krupp/Hoesch in Dortmund hoch verschuldet ist. Capital schrieb Anfang des Monats sogar von sechs Milliarden Hoesch- Schulden insgesamt, im laufenden Jahr wird ein Verlust von 700 Millionen erwartet.

Die Deutsche Bank könnte, so fürchtet man in Bremen, aus Sorge, daß es in Dortmund zu einer großen Krise kommt, lieber den Rest des Kapitals in Bremen abschreiben. Mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung und der WestLB hat die Stahlindustrie der Ruhr starke Bündnispartner hinter sich.

Sörgel kündigte „Reaktionen ungeahnten Ausmaßes“ für den Fall an, daß die Konzernmutter kein klares Bekenntnis für die Bremer Interessentenlösung abgebe und damit offenkundig die Tür für das „Ausraubmodell“ öffne. Die Arbeiter, droht der Betriebsrat, würden Produktionsanlagen und die hergestellten Produkte zu schützen wissen. Klaus Wolschner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen