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Neue UN-Sanktionen gegen Libyen

■ Auslandsguthaben werden eingefroren / Entscheidung durch Einlenken Rußlands ermöglicht / Tripolis: Druck der Großmächte / Experten rechnen mit wenig direkten Auswirkungen

New York/Tripolis (AFP) – Der UN-Sicherheitsrat hat am Donnerstag die Verschärfung der Sanktionen gegen Libyen beschlossen. Die verabschiedete Resolution sieht das Einfrieren libyscher Auslandsguthaben und ein Embargo gegen in der Ölindustrie benötigte Ausrüstungen vor. Die neuen Strafmaßnahmen sollen am 1. Dezember in Kraft treten, wenn Libyen bis dahin nicht die Forderungen des Sicherheitsrats nach Kooperation bei den Ermittlungen über zwei Flugzeuganschläge erfüllt. Libyen soll zur Auslieferung von zwei Männern gezwungen werden, die verdächtigt werden, den Anschlag auf eine Pan-Am- Maschine über dem schottischen Lockerbie 1988 verübt zu haben. Auch an einem Anschlag auf eine französische Maschine 1989 über Niger sollen Libyer beteiligt gewesen sein.

Elf der 14 Mitglieder des UN- Gremiums stimmten für die Resolution, vier enthielten sich (China, Dschibuti, Marokko und Pakistan). Die Entscheidung wurde durch das Einlenken Rußlands ermöglicht, das als ständiges Mitglied über ein Vetorecht im Sicherheitsrat verfügt. Rußland hatte sich zuvor noch gegen verschärfte Sanktionen gewandt, weil Libyen dadurch an der Rückzahlung seiner Schulden an Moskau in Höhe von vier Milliarden Dollar (rund 6,7 Milliarden Mark) gehindert werde. In einer von der Nachrichtenagentur ITAR-TASS verbreitenen Erklärung des Moskauer Außenministeriums hieß es, Rußland habe zugestimmt, weil in einem Zusatz zu der Resolution die Verpflichtung Libyens zur Schuldenrückzahlung an Rußland bekräftigt werde.

In einer Erklärung des libyschen Außenministeriums hieß es nach Angaben der libyschen Nachrichtenagentur JANA, Libyen sei „verärgert“ darüber, daß der UN- Sicherheitsrat erneut dem „Druck der USA, Großbritanniens und Frankreichs“ nachgegeben habe. Diese drei Länder versuchten ihren Streit mit Libyen zu verlängern, um dem libyschen Volk zu schaden und Ziele durchzusetzen, die mit dem Streit nichts zu tun hätten. Tripolis habe der Auslieferung der beiden Verdächtigen an Großbritannien und die USA bereits zugestimmt. Die Männer könnten jedoch nicht dazu gezwungen werden, sich zu stellen.

Diplomaten in Tripolis werteten die Verschärfung der Sanktionen unterdessen hauptsächlich als Warnung an den libyschen Staatschef Muammar el-Gaddafi. Die Sanktionen haben ihrer Einschätzung zufolge wenig direkte Auswirkungen, weil laut der UN-Resolution von der Einfrierung der Auslandsguthaben Einkünfte ausgenommen sind, die nach dem 1. Dezember aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte und Öl erzielt werden. Die Wirkung der Sanktionen werde sich erst schrittweise bemerkbar machen, wenn Libyen die Ersatzteile für die Erdölförderungsanlagen ausgingen, hieß es in Tripolis. Bereits seit 15. April 1992 ist ein Luftverkehrs- und Waffenembargo der UNO gegen Libyen in Kraft.

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