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Britannia rules: Atom-U-Boote gehören ins Meer

■ Londoner Konferenz beschließt Konvention gegen die Verklappung von Atommüll / Rußland, Großbritannien und Frankreich enthielten sich der Stimme

London (taz) – Großbritannien bleibt seinem Ruf als Schmutzfink Europas treu. Während die meisten der 45 Länder, die diese Woche an den Londoner Verhandlungen über eine Konvention gegen die Verklappung von Atommüll in den Weltmeeren teilgenommen haben, für ein endgültiges Verbot eintreten, wollen sich die Briten eine Option offenhalten – auch wenn zur Zeit keine Pläne bestehen, sie zu nutzen.

Die Vertreter Frankreichs unterstützten die britische Haltung. Und Rußland ist für ein endgültiges Verbot, das aber erst in sechs Monaten in Kraft tritt. Die Meeresverklappung sei bisher die einzige Möglichkeit, Abfälle der russischen U-Boot-Flotte loszuwerden. Die drei Länder wollten sich bei der Abstimmung, die gestern nach Redaktionsschluß stattfand, der Stimme enthalten und ihre Vorbehalte zu Protokoll geben. Damit könnten sie radioaktiven Müll verklappen, ohne die Konvention zu verletzen.

Noch Anfang der achtziger Jahre galt die Meeresverklappung als bester Weg für die „Entsorgung“. Innerhalb von 34 Jahren warf Großbritannien 74.000 Tonnen radioaktiven Müll in die Meere. Nach den Briten waren es vor allem die Schweizer, die den Abfall aus ihren Atomkraftwerken in den Nordostatlantik kippten. Und Rußland hat in der Vergangenheit sieben U-Boot-Atomreaktoren mitsamt der stark radioaktiven Antriebselemente in relativ flachen Gewässern nördlich des Polarkreises versenkt.

Aufgrund internationaler Verträge waren die Länder lediglich verpflichtet, Angaben über die Müllmenge und den Verklappungsort zu machen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace, unterstützt von zahlreichen Gewerkschaften, führte gegen diese Praxis eine Kampagne, die weltweit ein starkes Medienecho fand, so daß sich die 45 Konventionsländer im Jahr 1983 schließlich auf ein zehnjähriges Moratorium einigten. Das sollte in London durch ein endgültiges Verbot ersetzt werden.

Die britische Regierung argumentierte jedoch, daß die Meeresverklappung „der sicherste und unmweltfreundlichste Weg“ sei, um „besonders sperrige Güter von nicht sehr hoher Radioaktivität“ endzulagern. Vorausgesetzt, man wähle den richtigen Ort dafür, werde die Radioaktivität nicht in die Nahrungskette gelangen, weil sich Tiefsee- und Oberflächenwasser nur sehr langsam vermischten und außerdem eine starke Verdünnung stattfinde.

Bei den „sperrigen Gütern“ handelt es sich vor allem um Atom-U-Boote. Sechs Boote vom Typ „Hunter-Killer“ sind bereits heute nicht mehr meerestauglich, bis Ende des Jahrhunderts werden elf weitere dazukommen. Bisher läßt man sie einfach in den Werften dümpeln, nachdem die hochgradig radioaktiven Antriebselemente entfernt worden sind. Allerdings ist auch der Regierung klar, daß diese Lösung keine endgültige sein kann, weil die Boote langsam verrosten. Da es jedoch zu gefährlich ist, sie zu zerlegen und die radioaktiven Teile in einem Endlager zu deponieren, will Großbritannien sich die Option auf eine Verklappung offenhalten und setzte sich deshalb bei den Londoner Verhandlungen vehement gegen ein endgültiges Verbot ein. Ralf Sotscheck

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