: Einmal Las Vegas, hin und zurück
Bundesverteidigungsministerium flog zehn Allgäuer Kommunalpolitiker umsonst in die Wüste Nevadas / Zu haus sind die Lokalchefs Mitglieder der Fluglärmkommission ■ Aus Memmingerberg Klaus Wittmann
Freiflüge auf Kosten des Bundesverteidigungsministeriums sind, wie's scheint, im Kommen. So wurden jetzt acht Unterallgäuer Bürgermeister und zwei Stadträte aus Bad Wörishofen vom 25.10. bis 7.11.93 nach Nevada geflogen. Im Rahmen einer Großübung mit dem Namen „Red Flag“ boten Luftwaffe und Ministerium den lokalen Mandatsträgern aus der Umgebung des Nato-Fliegerhorstes Memmingerberg die Gelegenheit, sich einen persönlichen Eindruck über die taktisch-fliegerische Ausbildung im Ausland zu verschaffen. Und so konnten die Gemeindechefs in der Wüste von Nevada Tiefstflüge und Luftkampfübungen bewundern.
„Das erleben wir doch nach wie vor täglich vor unserer Haustür“, empört sich Steffen Wiebe, Vorsitzender der Fluglärmbürgerinitiative (FBI): „Wir haben uns maßlos geärgert, als wir das gehört haben. Wenn das tatsächlich stimmt, dann ist das meines Erachtens Massenbestechung. Von denen sagt doch keiner nochmal was gegen den Fliegerhorst, wenn er vorher einen Hin- und Rückflug nach Amerika abgezockt hat.“ Genau das sollten die Bürgermeister aber: etwas gegen den nach wie vor unerträglichen Fluglärm unternehmen. Denn sie gehören größtenteils der sogenannten Fluglärmkommission an, die dafür sorgen soll, die Belastungen durch den Fliegerhorst für die Bürger in Grenzen zu halten.
Bei den Kommunalpolitikern handelt es sich unter anderem um die Bürgermeister von Memmingerberg, Woringen und Ottobeuren. Auch zwei Stadträte aus Bad Wörishofen waren mit von der Partie. Nach dem Aufenthalt auf der Militärbasis schloß sich für die Mandatsträger ein Urlaub in Las Vegas an, der jedoch – so versichert man – aus eigener Tasche bezahlt wurde.
Den Vorwurf der „Massenbestechung“ wollen die Reisenden nicht auf sich sitzen lassen. Rudolf Sturm, Woringer Bürgermeister, und Stadtrat Albert Wanner halten ihre Teilnahme für rechtens. Man habe sich vor Ort ein Bild über die Fluglärmbelastung gemacht, die aus Deutschland exportiert wird. Wanner sprach von einer großen Bewunderung für die Bundeswehrsoldaten, die damit Lärm aus unseren dichtbesiedelten Gebieten ins Ausland abziehen. Noch dazu hätten die Piloten des Fliegerhorstes Memmingerberg beim internationalen Vergleich am besten abgeschnitten.
Kein Bürgermeister bräuchte nach Amerika zu fliegen, um sich ein Bild vom Flugbetrieb zu machen, meint dagegen FBI-Chef Wiebe. „Die sollen sich doch nur hierher stellen, sollen abends zu mir kommen, wenn mein kleiner Sohn im Bett liegt und wegen des Fluglärms nicht einschlafen kann.“
Für den „Informationsflug“, beteuern die Teilnehmer, sei kein besonderer finanzieller Aufwand erforderlich gewesen, weil für die Mitflüge freie Kapazitäten der Bonner Flugbereitschaft genutzt worden seien. Diese Flugbereitschaft der Luftwaffe unterhält einen Shuttle-Dienst in die USA – exklusiv für Staatsbedienstete oder Bundeswehrangehörige.
Einigen Teilnehmern des kostenlosen Amerikaflugs ist inzwischen jedoch nicht mehr ganz wohl. Auch wenn es bei Anfragen immer wieder heißt, man habe sich eben ein Bild über die Verlegung fliegerischer Ausbildung ins Ausland machen wollen, kommen doch – zumindest hinter vorgehaltener Hand – Zweifel auf, ob man nicht besser auf den USA-Trip verzichtet hätte.
Daß man nicht ganz blauäugig in das Reisevergnügen gestartet ist, zeigt das Beispiel des Unterallgäuer Landrats Hermann Haisch, der selbst schon wegen kostenloser Urlaube – unter anderem zusammen mit Max Streibl auf Burkhart Grobs Hazienda in Brasilen – ins Gerede gekommen war. Er hat vorsorglich auf die Nevada-Tour verzichtet. Er wird sich freuen, daß er daheimgeblieben ist, wenn er in den nächsten Tagen eine ironische Anzeigenserie zu Gesicht bekommt. Inhalt: Einladung zu kostenlosen Amerikaflügen mit der deutschen Luftwaffe.
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