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■ Nafta, der größte Binnenmarkt der WeltEuropa wird Wirtschaftsprovinz

Die Zustimmung des US-Repräsentantenhauses zur Nordamerikanischen Freihandelszone, Nafta, sei ein Sieg für den freien Welthandel. Jetzt könne schnell das Welthandelsabkommen Gatt zwischen mehr als 100 Staaten folgen, jubelte gestern die Bundesregierung, die sich durch das Gatt bessere Exportchancen für die Industrie ausrechnet. Der Jubel jedoch erinnert an das Pfeifen im Walde. Denn Nafta wird das Interesse der US-Regierung an einem erfolgreichen Gatt-Abschluß weiter vermindern.

Erstes Indiz dafür ist die Diskussion im Vorfeld der Nafta-Abstimmung. Clinton hat die Zustimmung nur mit zahlreichen Versprechen, vor allem an die Farmer, erkaufen können. All diejenigen, denen die Grenzen trotz der Schutzzölle für diverse Agrarprodukte zu weit geöffnet erscheinen, werden nun um so vehementer fordern, die Nafta-Außengrenzen für Importe dichtzumachen. Die US-Industrie aber hat mit Nafta ihren vergrößerten Markt vor der Haustür. Was interessiert da noch die ganze Welt, vor allem, wenn sie als Konkurrenz auf den Heimatmarkt drängt?

Der neue Hang zum Protektionismus ist keineswegs auf die USA beschränkt. Japans Regierungen haben es immer verstanden, nur so viele Importe ins Land zu lassen, wie gerade eben nötig waren, um in Europa und den USA die Grenzen für japanische Waren offenzuhalten. Und die Europäische Union schließt zwar Assoziierungsabkommen mit ihren östlichen Nachbarn, errichtet aber gleichzeitig hohe Schranken gegen alle Güter, die dort heute billig und gut hergestellt werden können: Stahl, Textilien und Agrarprodukte.

Freier Handel, das müssen heute vor allem die Regierungen der Schwellenländer feststellen, ist für den reichen Norden zum Lippenbekenntnis verkommen. Vor sieben Jahren, als die Gatt-Verhandlungen in Uruguay begannen, waren es die Regierungen der USA und Westeuropas, die den Entwicklungsländern die Öffnung der Märkte und die Ausrichtung ihrer Wirtschaft auf den Export abverlangten. Kaum aber zeigen sich, etwa in Indien oder Lateinamerika, die ersten Anzeichen von Exporterfolgen, machen ausgerechnet die Länder der Freihandelsideologie die Grenzen dicht, um ihre Produzenten zu schützen.

Für Westeuropa dürfte sich die Herausbildung von Handelsblöcken schon bald als Nachteil erweisen. Nafta ist größer als die Europäische Union, Japan in seiner wirtschaftlichen Substanz gesünder. Als nächster Trend zeichnet sich außerdem eine verstärkte Zusammenarbeit in Asien ab – mit tatkräftiger Beteiligung der USA und unter Ausschluß der Europäer. So, wie Nafta das Interesse der USA am Gatt schmälert, muß es das der Europäer erhöhen. Mit Nafta und ohne Gatt jedenfalls würde die Europäische Union vom Weltmarkt abgehängt und zur Wirtschaftsprovinz degradiert. Donata Riedel

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