: Gesetz nach sowjetischem Muster
■ In der Ukraine können auch Arbeitskollektive Kandidaten für die Parlamentswahlen im März aufstellen
Kiew (dpa/taz) – Im Parlament der Ukraine haben die Vertreter der Staatswirtschaft und kommunistische Abgeordnete eine Angleichung des neuen Wahlgesetzes an das frühere sowjetische Wahlsystem erzwungen. 245 Abgeordnete stimmten am Donnerstag in zweiter Lesung für eine Vorlage, wonach nicht nur Parteien, sondern auch Arbeitskollektive und Einwohnergruppen Kandidaten aufstellen können. Die Abgeordneten der nationalistischen und demokratischen Oppositionsparteien boykottierten die Abstimmung und verließen geschlossen den Sitzungssaal.
Gemäß dem neuen Gesetz sollen bei den Parlamentswahlen am 27. März 1994 450 Abgeordnete nach dem Mehrheitswahlrecht in Wahlkreisen gewählt werden. Davon erhoffen sich die regional besser verankerten „roten Betriebsdirektoren“ Wahlvorteile. Um für die Wahl zugelassen zu werden, müssen alle Kandidaten mindestens 300 Unterschriften vorweisen. Der Opposition gelang es nicht, das Prinzip der Parteienvielfalt im Gesetz festzuschreiben. Sie war bereits vergangene Woche mit der Forderung gescheitert, einen Teil der Mandate nach dem Verhältniswahlrecht an Parteilisten zu vergeben. Ein Sprecher der Opposition, der Jurist Sergej Golowaty, erklärte zur Weigerung der Kommunisten, die Parteienvielfalt gesetzlich zu verankern: „Damit wird die Ukraine es schwer haben, falls sie dem Europarat beitreten will.“ Durch das neue Wahlrecht sichert sich die Partei von Präsident Leonid Krawtschuk nach Ansicht von Golowaty die Macht für weitere vier Jahre.
Ebenfalls abgelehnt wurde der Oppositionsvorschlag, die Zahl der Mandate von 450 auf 225 zu reduzieren. Dafür sprach sich selbst der Parlamentsvorsitzende Iwan Pljuschtsch aus: „Es wird nicht für alle 450 Abgeordnete Wohnungen in Kiew geben, weil das Parlament sie nicht damit ausstatten kann – genausowenig wie mit Büroraum, Mitarbeitern und Referenten. Zuvor hatte das Parlament ein Gesetz verabschiedet, durch das weite Bereiche von Politik, Wirtschaft und Verteidigung zukünftig für geheim erklärt werden können. Journalisten, die Staats- oder Firmengeheimnisse publik machen, drohen je nach Gewicht des politischen oder materiellen „Schadens“ Haftstrafen bis zu acht Jahren.
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