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Kleines Alternativtheater als Miethai

■ Picolo will wie ein Miethai die Konkurrenz abkassieren.

Die fristlose Kündigung kam am 1. November, schon seit Oktober liegt eine Räumungsklage beim Amtsgericht. Der Kunst- und Akrobatikverein „Balance“ steht vor dem Aus. Doch nicht etwa kulturfeindliche Immobilienhaie machen den Künstlern das Leben schwer: Das „Theater Picolo“ um Andreas Jamusch versucht auf diese Weise der Konkurrenz das Wasser abzugraben. Formal ist Balance nämlich Untermieter.

Zwei Jahre hat der Kunst- und Akrobatikverein eine baufällige Halle auf dem Hanomaggelände renoviert. 2.000 Arbeitsstunden und 40.000 Mark für Material haben die acht Akrobatik- und Theaterenthusiasten in den Ausbau gesteckt. Jonglieren, Seiltanz, Einradfahren und Steptanz trainieren die Vereinsmitglieder in der Halle, sie proben für Theaterstücke und bieten Kinderzirkus an. Der Verein organisiert internationale Artistikfestivals und hatte im Mai mit seiner Produktion „Bibliomanie“ einen Riesenerfolg. Alle Aufführungen waren ausverkauft.

Daß Balance e.V. formal nur Untermieter des Theater Picolo war, war für die Akrobatik-Künstler lange Zeit ohne Bedeutung. Außerdem hatte man ja eine gemeinsame Vergangenheit: Auf Anregung der Ateliergemeinschaft Helmkestraße um Esther Leger-Stier hatte sich 1988 ein interdisziplinäres Künstlerprojekt gegründet, das „Unternehmen Strousberg“. Die Maler und Bildhauer, das Artistikprojekt Balance und die Theatergruppe Picolo waren zusammen als Künstlerkollektiv in eine andere Halle des Hanomagkomplexes eingezogen. Es gab einen gemeinsamen Mietvertrag, man renovierte zusammen, die Flächen wurden einvernehmlich aufgeteilt.

1990 löste sich die Gruppe um Esther Leger-Stier auf. Das Theater Picolo übernahm den Mietvertrag, Balance wurde Untermieter. Eine reine Formalie, so schien es damals. Weil sich beide Gruppen vergrößern wollten, handelte Balance mit der Hanomag-Grundstücksverwaltung einen Mietvertrag für eine weitere Halle aus. Offiziell wurde Picolo auch hier Hauptmieter. Die Immobilienverwaltung wollte nur einen Vertragspartner.

Balance renovierte die Halle, unermüdlich wurde abwechselnd geprobt und gehämmert. Der Erfolg gibt den acht KünstlerInnen recht. Von allen Seiten Anerkennung. Ein Schmuckstück für Hannovers freie Szene. Doch dem Theater Picolo ist der Durchbruch des ehemaligen kleinen Bruders offenbar ein Dorn im Auge. Kündigung, unbegründete Mieterhöhungen, Räumungsklage. Auf dem Niedersächsischen Theatertreffen hatte Andreas Jamusch vom Theater Piccolo noch über schlechten Stil unter Künstlern geklagt. Konrad Baer

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