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Fußball im Barock

■ Horst Bredekamp analysiert die Florentiner Festkultur

Quizfrage: Nennen Sie einen der Mannschaftsführer des Fußballspiels, das am 12.Februar 1617 in Florenz stattfand. Richtig: Cosimo II. de Medici.

Für alle, deren ballhistorische Kenntnis nur bis in die Zeiten Günter Netzers oder maximal Helmut Rahns zurückreicht, ist eine Erweiterung des Blickfeldes angesagt. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp hat ein Kapitel aus der Frühgeschichte des Fußballs aufgearbeitet und informiert uns über die Entwicklung dieser Sportart vom 15. bis 18. Jahrhundert in Italien.

Ein Kunsthistoriker? Gilt der Lieblingssport der Deutschen schon als hohe Kunst? Heutzutage wohl kaum, auch wenn sich die Museumsdirektoren der Pfalzgalerie Kaiserslautern im Herbst 1989 mit der Ausstellung „Fußball in der Kunst“ an einer populär-kulturellen Aufarbeitung versucht hatten. Im Florenz der Medici aber war der calcio ein prächtiges Ereignis, das von der Herrscherdynastie zu wichtigen Anlässen wie Hochzeiten oder Staatsbesuchen inszeniert wurde. Der zeremonielle Charakter und seine politische Tragweite stehen bei den Analysen der überlieferten Text- und Bildquellen folglich im Vordergrund.

Bredekamp beschreibt zunächst Regeln und Ablauf des calcio, der mit 15 Stürmern, fünf Zerstörern, vier Läufern und drei Verteidigern rugbyähnlich gespielt wurde. Er verfolgt dann die Aneignung und Instrumentalisierung der „republikanischen“ Sportart durch die Medici, deren Wappen immerhin sechs Bälle zeigt. Zwei weitere Kapitel sind den gesellchaftlichen Funktionen gewidmet, die der calcio erfüllen soll. Den adeligen Spielern diente er zur Erprobung ihrer Kampfeskraft, der Körperbeherrschung und des strategischen (paramilitärischen) Geschicks. Dem Volk gegenüber findet „ein eigenartiges Doppelspiel von sozialer Abschottung und Gemeinschaftsstiftung“ statt, welches der Herrschaftssicherung dienen soll. „Man amusieret sie auch zu Vergessung aller Meuterey“, konstatierte ein deutscher Beobachter im Jahre 1720.

Bredekamp sieht in dem sportlichen Ereignis, das vorzugsweise während der Karnevalszeit im Winter stattfand, einen bedrohlichen „Fundus an anarchischer Energie“. Die potentielle Unkontrollierbarkeit findet er auf einer Miniaturradierung Jacques Callots in der herausgehobenen Figur eines Trommlers versinnbildlicht. Dieser Vorläufer des Mönchengladbacher Originals Manolo putscht die Stimmung der Massen hoch, und zu seinen Füßen löst sich die strenge Ordnung der Festveranstaltung in ein chaotisches Durcheinander auf.

Derartige Detailbetrachtungen machen das Buch spannender als jede Soziologie des Schlachtenbummelns, und es ist ein Genuß, Bredekamp zu folgen, wenn er beispielsweise auf einem Kupferstich von 1689 die älteste Bilddarstellung eines Vorstoppers entdeckt, sich Gedanken zur Ikonographie des Fußballpokals macht oder der Symbolik des Balles nachgeht, der als Attribut die Kugel der Fortuna ersetzt.

Der kunsthistorische Blick erweist sich als fruchtbar für die Analyse kultureller Phänomene. Bredekamps Text steht würdig in der Tradition eines Warburg oder Panofsky (dessen anregende Studie über den Rolls-Royce-Kühler und seine ideologischen Vorläufer jetzt in derselben, von Helga und Ulrich Raulff betreuten Reihe wiederaufgelegt wird). Sein akademisches Spielfeld verlagert Horst Bredekamp derzeit von Hamburg nach Berlin, und die Humboldt-Universität sollte sich nicht scheuen, ihm zur Amtseinführung einen Gala- calcio auszurichten. Dieter Scholz

Horst Bredekamp: „Florentiner Fußball – Die Renaissance der Spiele“. Campus Verlag, Frankfurt/New York 1993, 39DM.

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