: LehrerInnen wollen Schulautonomie nicht
■ Diskussion um neue Landes-Schulgesetze: Unwillige LehrerInnen debattierten unter sich
Stolz, autonom und frei sollen sie werden, die Bremer Schulen: Das in Planung befindliche neue Landesschulgesetz sieht eine weitgehende wirtschaftliche, pädagogische und organisatorische Autonomie einer jeden Schule vor. Vorbei soll die Allmacht der Schulaufsichtsbehörde sein, vorbei der Kampf mit dem Verwaltungsdschungel.
Jede wie sie will und kann - nach Zuteilung eines bestimmten Budgets könnten die Schulen eigenverantwortlich nicht nur Wasserhähne reparieren und das Schulhofgrün instandhalten, sondern auch pädagogische Schwerpunkte setzen und ein eigenständiges Schulprofil entwikkeln. Ein „revolutionäres Konzept“, ein „tief eingreifender Wandel weg von der streng reglementierten Schule“, sagt Gernot Lückert vom Bildungsressort. In Kraft treten sollen all die Neuerungen zum nächsten Schuljahr. So weit die Planung der Ampelregierung.
Auch die Betroffenen sollen im Gesetzgebungsverfahren mitreden können: Mit Hilfe von Workshops in den Stadtteilen informiert der nichtständige Parlamentsausschuß der Bürgerschaft, der eine Gesetzesvorlage erarbeitet, LehrerInnen, Direktorinnen, Eltern und SchülerInnen. Der Entwurf dürfe nicht „von oben heruntergedacht“ werden, so Lückert, der mit seinem Kollegen Ulrich Kaschner den Entwurf in der ersten Runde am Montag der Region Süd zur Diskussion stellte. Rund 60 Interessierte waren ins Schulzentrum Huchting gekommen - genauer gesagt: 59 LehrerInnen und DirektorInnen sowie eine Elternvertreterin.
„Dann wollen wir mal richtig motzen“, flüsterte ein Kollege zu Beginn. Doch so richtig gemotzt wurde keineswegs: Dafür nahm die anwesende Lehrerschaft die Umstrukturierungen offensichtlich nicht ernst genug. Mit einer „Das funktioniert sowieso alles nicht“- Haltung wurden die anstehenden Probleme diskutiert: Daß unterschiedliche „Schulprofile“ sich zwar in der Theorie gut anhörten, es in der Praxis aber womöglich „arme, reiche und Ausländerschulen“ geben werde. Einige LehrerInnen befürchten die Drei-Klassen- Gesellschaft: eine gutbetuchte Elternschaft ermöglicht mit Hilfe von Sponsering zahlreiche Projekte, in Problemgegenden dagegen blättert der Putz von den Wänden. „Eine Spaltung der Schulen in arm und reich darf es nicht geben“, sagte denn auch Ulrich Kaschner; Schulen in besonders belasteten Gebieten könnten einen Sonderbedarf anmelden. Gemurmel: „Das funktioniert nie!“ Denkbar sei auch ein großer Topf, in den Teile der Einnahmen aller Schulen flössen - „Vergeßt es!“„Kann eine Schule konkursgehen?“ Derartige Fragen stellen sich, wenn die Schulen autonom wirtschaften sollen. Gemurmel: „Die spinnen doch!“ Das Ganze habe unter „knallharten volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen stattzufinden“, so Lückert - und das heißt: Die Umstrukturierungen dürfen kein Geld kosten. „Wirtschaftliche Autonomie halte ich für durchaus attraktiv, wenn die Schulen die zuständigen Fachleute bekommen würden - aber das sieht ja nicht so aus“, so ein Lehrer.
Das Gesetz soll nur einen Rahmen bilden, der von den Schulen ausgefüllt werden muß - doch die im Durchschnitt 50 Jahre alte LehrerInnenschaft ist die Weisungen von oben wohl zu sehr gewohnt: Wie solle man Vorschläge erarbeiten, wenn man keine genauen Vorgaben habe, so die Frage - von einer Aufbruchstimmung, der Chance zu etwas Neuem keine Spur.
Mehr und mehr zielten die Fragen in die Richtung, daß auf LehrerInnen und DirektorInnen mehr (Verwaltungs- )Arbeit zukommen werde - und das sei üüüberhaupt nicht zu schaffen. „Auch Lehrer dürfen sich solchen Entwicklungen nicht verschließen und müssen neue Aufgaben übernehmen“, hielt Gernot Lückert vom Bildungsressort dem entgegen. Mit einem Hinweis auf die gesicherten Arbeitsplätze sah er sich schließlich zu der Aussage genötigt, daß „Lehrer, die sich ständig überfordert fühlen, überlegen müssen, ob sie diesen Beruf machen wollen oder ob sie ausscheiden“. Verhaltenes Gemurmel. Das Fazit zog ein Direktor: „Vor 15 Jahren wurde ins Gesetz geschrieben, daß die Schularten zu integrieren seien - da ist auch nichts passiert. So wird's hiermit auch gehen.“ skai
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