piwik no script img

Die Vorleserinnen

■ Aktionstag der FU-Frauen für eine Professorinnenstelle / Auch eine Handvoll Männer lauschte den Off-Vorlesungen

Mit einem Aktionstag unter dem Motto „Frauenprofessur jetzt“ forderte der Arbeitsbereich „Feministische Wissenschaft/ Frauenforschung“ der Freien Universität am Mittwoch einen Lehrstuhl für Frauenforschung. Der Arbeitsbereich forscht seit etwa 15 Jahren, ohne durch eine unbefristete C3-Professur abgesichert zu sein.

Von der bevorstehenden Zusammenlegung des Psychologischen Instituts mit dem Institut für Psychologie der FU befürchten Studentinnen und Dozentinnen eine inhaltliche Veränderung der Forschungsschwerpunkte, denn der Arbeitsbereich soll in „Psychologie des Geschlechterverhältnisses“ umbenannt werden. „Die kritisch-feministische Perspektive ginge dadurch verloren“, sagt die Hochschul-Oberassistentin Karin Flaake.

Ungefähr zweihundert Frauen – und auch eine Handvoll Männer – lauschten den drei Vorlesungen des Aktionstages. In ihrem Vortrag über die feministische Analyse des sexuellen Mißbrauchs kritisierte Birgit Rommelspacher, Professorin an der Alice-Salomon- Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, auch das Schweigen der Mütter mißbrauchter Kinder, die dadurch zu Mittäterinnen würden. „Wir dürfen nicht Frauen verstehen und Männer beschuldigen“, sagte Rommelspacher. Die Wissenschaftlerin plädierte dafür, die „Gewaltungleichheit“ zwischen Eltern und Kindern zu berücksichtigen.

Lilli Gast, Dozentin an der FU Berlin, plädierte in ihrer Vorlesung für „die Unverzichtbarkeit psychoanalytischen Denkens im feministischen Diskurs“. Zwar sei die Freudsche Theorie zur Entwicklung weiblicher Identität unhaltbar. Sein Verdienst sei es jedoch, die Bedeutung gesellschaftlicher Faktoren hervorgehoben zu haben: Subjekt und Kultur konstituieren und verändern einander gegenseitig. Dagegen kritisierte Lilli Gast diejenigen Gegner Freuds, die weibliche Identität zwar positiv definieren, aber sie auch als von der Biologie unausweichlich vorgegeben betrachten. „Das Mißtrauen gegen alle der Aufklärung widersprechenden Postulate von etwas Eigentlichem, Ursprünglichem gehört zur feministischen Theorie.“

Den letzten Vortrag des Aktionstages hielt TU-Professorin Christina Thürmer-Rohr über „Zweifel als Methode“. Zweifel beschrieb sie als Grundhaltung Deutschlands, „wo es seit der Wende keine Einheimischen mehr gibt“. In makelloser Rhetorik verfocht die Professorin das Recht auf Zweifel, aber auch auf Gebiete „jenseits des Zweifels“. Eines davon sei die Patriarchatskritik, die niemals dem Machbarkeitswahn der Moderne angehangen habe und von ihrem Scheitern deshalb nicht betroffen sei. Zweifel allein könne Kritik nicht ersetzen, sagte Thürmer-Rohr. Und: „Der Zweifel erhält seinen Sinn erst, indem Herrschaftszustände angezweifelt werden.“ Der Aktionstag schloß mit einer nur wenig kontroversen Podiumsdiskussion über „Perspektiven der Frauenforschung am neuen psychologischen Institut“. Miriam Hoffmeyer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen