piwik no script img

Mit Gott und Clinton-Foto gegen die neue Zeit

■ Die morgigen Wahlen in Honduras sind der letzte Akt einer Schlammschlacht

Managua (taz) – Honduras, von dem ein Funktionär des berüchtigten Bananenmultis United Fruit Company einst behauptete, es sei dort einfacher einen Abgeordneten zu kaufen als ein Maultier, kennen die meisten Europäer bestenfalls als Flugzeugträger der USA, von wo es die Revolutionen in den zentralamerikanischen Nachbarländern einzudämmen galt. Aber wer jetzt die Schlacht miterlebt, die sich Wahlkampf nennt, muß den Eindruck bekommen, das Land stünde an der Wegscheide zwischen Stalinismus und Neofaschismus, und die Wähler müßten sich morgen zwischen zwei Verbrechern entscheiden.

Die regierende Nationale Partei hat mit Oswaldo Ramos Soto einen Kandidaten vom rechten Rand der Partei aufgestellt, und bei den Liberalen hat sich mit Carlos Roberto Reina erstmals der sozialdemokratische Parteiflügel durchgesetzt. „Geht es euch heute besser als vor vier Jahren?“ fragt Reina bei seinen Auftritten. Ramos, der schwerlich bestreiten kann, daß das Wirtschaftspaket der Regierung den Anteil der Armen an der Bevölkerung von Honduras auf über 70 Prozent hochgetrieben hat, kontert mit Tricks aus der Mottenkiste des Kalten Krieges: Die Reinas seien Kommunisten wie Nicaraguas Ortegas und wollten Honduras in Krieg und Elend stürzen, heißt es da.

Jorge Arturo Reina stand Ende der 70er Jahre als Rektor der Nationaluniversität in Tegucigalpa einem Hort der Linken vor. Wer damals nicht den Sandinisten in Nicaragua Zubringerdienste leistete, war fehl am Platz. Oswaldo Ramos, der anschließend zum Rektor gewählt wurde, räumte mit den revolutionären Umtrieben auf. Seine Gegner warfen ihm damals vor, mehrere Studenten den rechten Todesschwadronen ans Messer geliefert zu haben.

Heute präsentiert sich Ramos weniger als Saubermann denn als „Bursch“ aus dem Volk, der es zu etwas gebracht hat. Auf einem Foto, das er in allen Tageszeitungen lancieren ließ, schüttelt er einem verlegen lächelnden Bill Clinton die Hand. Die Freude über die gelungene Werbung sollte nicht lange währen – Reinas Liberale verbreiteten wenige Wochen später den Artikel eines US-Journalisten, der herausgefunden hatte, daß Ramos bei Clinton gar nicht eingeladen war und sich dreist eingeschmuggelt hatte, um zu dem Foto zu kommen.

Wer mehr Lkw hat, siegt

Wie dem auch sei: In Honduras gewinnt nicht derjenige, der den besseren Wahlkampf führt, und schon gar nicht der, der die besseren Argumente hat. Entscheidend ist, wer seinen Sympathisanten rechtzeitig zu Wahlausweisen verhilft und ihre Mobilisierung effizienter organisiert. Da in den kleinen Dörfern keine Wahllokale eingerichtet werden, setzen die Parteien am Wahltag Tausende Fahrzeuge in Bewegung, um ihr Stimmvieh zu den Urnen zu karren. Daß Reina nach jüngsten Umfragen um Haaresbreite die Nase vorn hat, besagt daher wenig. Ramos' Nationale Partei hat sicherheitshalber schon vor einem Jahr Busse und Lkw reserviert.

Der 1989 gewählte bisherige Präsident Rafael Leonardo Callejas regierte unter dem Banner der Modernität. Gegen den Widerstand eines Teils der im Protektionismus herangewachsenen Privatwirtschaft förderte er die Ideologie des freien Marktes, und auch die Zivilgesellschaft sollte gegenüber dem ineffizienten Staat gestärkt werden. Callejas holte ehemalige Guerillaführer aus dem Exil zurück und beteiligte alle sozialen und politischen Kräfte an einer Modernisierungskommission. Diese verbiß sich aber in eine Verfassungreform und wagte sich nicht an die Kernprobleme heran: die Allmacht der Armee und das notorisch korrupte Justizsystem.

Die Militärs in Honduras stehen nach eigenem Selbstverständnis über dem Gesetz. Nach 17 Jahren Diktatur gaben sie zwar die Regierung ab, etablierten sich aber als parallele Machtstruktur, an der jede Demokratisierungswelle spurlos vorbeigegangen ist. Erst seit im Vorjahr ein Oberst der Vergewaltigung und Ermordung einer 18jährigen Schülerin überführt wurde, wächst in der Bevölkerung der Ruf nach Gerechtigkeit. Die Enthüllungen eines ehemaligen Geheimdienstagenten, der mehrere Offiziere in Mordkomplotte verwickelte, lösten zu Jahresbeginn Massenproteste aus. Zumindest der Auflösung der brutalen Geheimpolizei konnte sich die Armee nicht mehr widersetzen.

Aber ob die Reformen weitergehen, ist fraglich. Von Ramos, einem alten Freund der Militärs, ist wenig zu erwarten. Nur von Reina erhoffen viele, daß er die modernen Zeiten auch in die Kasernen einziehen läßt. Ralf Leonhard

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen