Neue serbische Forderungen

■ Karadžić dämpft Erwartungen an heutige Jugoslawien-Runde / Kämpfe an allen Fronten Bosniens

Genf (taz) – „Wir werden in Genf die gesamten 64 Prozent des bosnischen Gebiets verlangen, die uns zustehen“, erklärte Serbenführer Radovan Karadžić nach Angaben der Nachrichtenagentur der bosnischen Serben, SRNA, am Samstag in Belgrad. Komme es nicht zu einer entsprechenden Vereinbarung, würden die Serben sogar die derzeit von ihnen kontrollierten 70 bis 72 Prozent des bosnischen Territoriums auf Dauer besetzt halten und sich um die Anerkennung dieses Gebiets als Staat bemühen. Der von der EU übernommene ursprünglich deutsch-französische Vorschlag, über den ab heute in Genf verhandelt werden soll, verlangt von den Serben hingegen den Rückzug auf 48 Prozent des bosnischen Territoriums.

Der bisherige Dreiteilungsplan, den das überwiegend muslimische Parlament Bosniens im September abgelehnt hatte, beließ den Serben noch 52 Prozent. Die verhärtete Position Karadžićs ist möglicherweise eine Reaktion auf die „Klarstellung“, mit der der politische Direktor des Bonner Außenministeriums, Jürgen Chrobog, letzte Woche in Washington die Unterstützung der USA für den EU-Vorschlag sichergestellt haben wollte. Danach sollen die Wirtschaftssanktionen gegen Serbien erst suspendiert werden, nachdem ein von allen drei Kriegsparteien unterzeichnetes Abkommen vorliegt und sich die serbischen Truppen vollständig aus allen Gebieten zurückgezogen haben, die nach diesem Abkommen zu dem künftigen bosnisch-muslimanischen Teilstaat gehören sollen.

Im Bonner Auswärtigen Amt hieß es am Sonntag, in den drei Wochen seit Veröffentlichung des ursprünglich deutsch-französischen Vorschlags sei in Washington der „falsche Eindruck“ entstanden, die Sanktionen sollten bereits suspendiert werden, wenn die serbische Seite am Verhandlungstisch den Muslimen weitere 3 bis 4 Gebietsprozente konzidiert. Dieser „falsche Eindruck“ war offensichtlich zunächst auch bei Karadžić sowie beim serbischen Präsidenten Slobodan Milošević entstanden und hatte deren erste vorsichtig zustimmende Reaktionen auf den Vorschlag bestimmt. Unklar ist nach wie vor, inwieweit auch die Vereinbarung zumindest eines Waffenstillstandes in der serbisch besetzten kroatischen Krajina Vorbedingung für eine Suspendierung von Sanktionen ist.

In der Spitze des Auswärtigen Amtes gilt die Initiative für die neue Genfer Runde als die „umfassendste deutsche außenpolitische Aktion seit vielen Jahren“. Nachdem neben den USA, Rußland und UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali auch die Türkei sowie zahlreiche islamische Staaten Unterstützung bekundet hätten, seien die Chancen für einen Erfolg erheblich gestiegen. In der Runde der 36 Staaten des politischen Leitungsausschusses der Genfer Jugoslawienkonferenz wollen die zwölf EU-Außenminister heute morgen den Führern der drei bosnischen Kriegsparteien sowie den Präsidenten Serbiens, Kroatiens und Montenegros zunächst ihren Vorschlag erläutern.

Danach sollen Spanier und Briten die Zustimmung der bosnischen Regierung, Deutsche und Portugiesen die der Kroaten und Franzosen und Italiener die der Serben herbeiführen. Während die zwölf EU-Außenminister heute abend zur KSZE-Konferenz nach Rom abreisen, sollen die Vermittler von UNO und EU, Thorvald Stoltenberg und David Owen, bei Bedarf in den nächsten Tagen in Genf mit den Vertretern aus Ex- Jugoslawien weiterverhandeln.

Serbische Truppen haben am Wochenende ihre Angriffe gegen muslimische Städte in Nordbosnien – darunter der Verkehrsknotenpunkt Olovo – sowie gegen die ostbosnischen Enklaven Zvornik und Teocak erheblich verschärft. In Mostar sowie im Gebiet um Kiseljak nordwestlich von Sarajevo lieferten sich Kroaten und bosnische Regierungstruppen heftige Gefechte. Serbische Truppen blockierten weiterhin in mehreren Teilen des Landes Hilfskonvois des UNO-Flüchtlingshochkommissariats. Andreas Zumach