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Fregatte auf Eis

■ Überwintern in Hamburg: „Ein Seemann muß wissen, wann sein Hafen zufriert“

In der Kajüte ist es warm. Draußen auf der Elbe ist Eisgang. Heinrich Schmitz schenkt Glühwein in einen Plastikbecher. „Die haben hier doch nichts“, empört er sich. Der 72jährige und seine Frau Klara kümmern sich um die fünf Leute der Fregatte „Swjatoi Dutch“ (Heiliger Geist).

Seit Mitte November liegt der Nachbau eines 1702 unter Zar Peter I. gebauten Kriegsschiffs im Oevelgönner Museumshafen. „Wir können hier nicht weg, weil unser Heimathafen Petrozavodsk zugefroren ist“, erklärt Alexander Maximov, stellvertretender Kapitän, die Lage in gebrochenem Englisch. Bis Ende Oktober war die 1992 gebaute Fregatte Attraktion der „Hanse Boot 93“ und lag damals noch im Sportboothafen. Nachdem die Messe zu Ende war, mußte der Liegehafen jedoch geräumt werden.

„Wir haben schon auf eine Liegegebühr während der Messe verzichtet“, wiegelt Ulf Richter, Pressesprecher der städtischen Hamburg Messe und Congress GmbH, ab. Eine weitere finanzielle Belastung könne man nicht übernehmen. Richter, der auf erste Anfragen überrascht tat (“Sind die immer noch da?)“ und dann plötzlich Zeitungsartikel aus Boulevardblättern zum Thema durchfaxte, ist sowieso der Meinung, „daß ein Seemann wissen muß, wann sein Hafen zufriert“.

Auch Rentner Heinrich Schmitz war zunächst darüber verwundert: „Aber kann man den Leuten das verdenken, wenn die über den Winter hierbleiben wollen?“ So erzählt der ehemalige Maschinenbauingenieur, daß Alexander Maximov einmal sehr nachdenklich wurde, als die Schmitz' ein paar Mandarinen mitbrachten. „Ich esse hier schöne Sachen und zu Hause haben sie vielleicht viel zu wenig zu essen“, soll der, der selbst auf Spenden angewiesen ist, gesagt haben.

„Für den Liegeplatz hier müssen sie nichts bezahlen“, sagt Tip d' Tienne, Hafenmeister des Museumshafens. „Man kann die ja nicht einfach so hängen lassen.“ So wurde zum Beispiel für Wasch- und Duschgelegenheiten gesorgt: Auf dem immer noch betriebsbereiten Museums-Eisbrecher „Stettin“ kann sich die Crew die nötige Körperhygiene angedeihen lassen. Doch der elektrische Strom sei ein Problem, der müsse irgendwie abgerechnet werden, so d'Tienne.

Schön wäre es, wenn die Stadt die Kosten übernehmen könnte, denn bis zum Mai müssen die Russen, deren Lebensunterhalt derzeit durch private Spenden finanziert wird, noch ausharren. Dann soll die Fregatte nämlich eine der Attraktionen des Hafengeburtstags sein.

Andrew Ruch

Das 27 Meter lange Holzboot kann täglich im Oevelgönner Museumshafen besichtigt werden. Erwachsene 2 Mark, Kinder frei.

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