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Brüssel will mehr Müll

Umweltminister beraten heute über eine europäische Verpackungsrichtlinie / EU-Entwurf sieht Maximalgrenze für Recycling vor / BUND fordert Steuer auf Primärrohstoffe  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Die Europäische Union will dem Fleiß der Deutschen in Sachen Recycling einen Riegel vorschieben. Wenn heute die europäischen Umweltminister über den Entwurf einer europäischen Verpackungsrichtlinie beraten, geht es nicht nur um eine äußerst geringe Recycling-Mindestquote von 30 Prozent. Es soll überdies eine Höchstquote eingeführt werden: Den Mitgliedsländern soll zunächst für fünf Jahre verboten werden, mehr als 40 Prozent der Verpackungen zu verwerten.

Schon jetzt werden nach Angaben des Umweltministeriums in der Bundesrepublik 48 Prozent Glas, 51 Prozent Papier, 45 Prozent Weißblech und Aluminium sowie 20 Prozent Plastik und Verbundkartons recycelt.

Selbst Töpfers zahmer Entwurf einer novellierten Verpackungsverordnung, der ab 1998 eine Verwertungsquote von 60 Prozent aller Verpackungen festlegen will, würde immer noch um 20 Prozent über die Obergrenze der EU hinausgehen. Dänemark kann schon jetzt mit einer Recyclingquote von 70 Prozent aufwarten.

Der Richtlinienentwurf, den die belgische Ratspräsidentschaft vorgelegt hat, ist eine Reaktion auf die Flut von Altmaterialexporten aus Deutschland vor allem nach Frankreich, Großbritannien und Spanien. Deren Vorwurf: die Deutschen verabschieden strenge Verwertungsvorschriften, die sie selbst nicht einhalten können. Deshalb liefern sie Altpapier und Dosenschrott zu absoluten Dumpingpreisen ins Ausland, wodurch die dortigen Altstoffmärkte zerstört werden.

BUND-Verpackungsexperte Andreas Golding kritisiert, daß der Entwurf weder die verstärkte Verwendung von Mehrwegverpackungen noch Anreize für die Industrie vorsieht, Sekundärrohstoffe verstärkt einzusetzen. Er fordert eine Besteuerung von Primärrohstoffen. Wenn diese teurer würden, dann wäre das Interesse, Sekundärrohstoffe zu verwerten, gleich viel größer.

Im europäischen Ministerrat kämpfen nur die Niederlande und Dänemark auf seiten der Bundesrepublik gegen den Entwurf. Die Bundesrepublik will sich nun bemühen, eine Entscheidung zu verschieben. Allerdings hat auch das Europäische Parlament, dessen Kompetenzen seit 1. November etwas erweitert wurden, ein Wörtchen mitzureden. Lehnt es den Entwurf ab, dann tritt ein Vermittlungsausschuß in Aktion. Letzte Anlaufstelle, falls die Recycling- Höchstquote durchkommt, ist der Europäische Gerichtshof. Der müßte dann eine Grundsatzentscheidung treffen, ob die EU einen Mitgliedsstaat zwingen kann, einen bereits erreichten Umweltschutzstandard zu unterschreiten.

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